Wie bei jedem meiner Zwei- oder Dreiteiler empfehle ich dir, bevor du hier weiterliest, zuerst den ersten Teil zu lesen.
Im ersten Teil erläutere ich die Begriffe und formuliere meine Ziele, die ich mit Hilfe von Hormesis, Heuristiken und dem „via Negativa“-Prinzip erreichen beziehungsweise optimieren möchte.
Die Ziele…
…erläutere ich nachfolgend etwas genauer.
Erfolgreiche Vorbereitung auf einen Marathon…
…bedeutet für mich, dass
- ich während der zwölf Wochen gesund bleibe, also mir keine Verletzung, keine Erkältung oder sonstige Krankheit einfange
- ich mich dabei gut fühle und Fortschritte spüre. Nur so bleibe ich motiviert
- ich die weiter unten definierten Ziele erreiche.
Ein erfolgreiches Finishen des Marathons…
…setzt voraus, dass
- ich keinen Einbruch zum Ende des Rennens hin erleide (kein Mann mit dem Hammer etc.)
- ich mir keine Verletzungen zuziehe, weder muskulär noch am passiven Bewegungsapparat
- am Ende eine passable Zeit herauskommt. Eine Zeit unter 3 Stunden wäre aus heutiger Sicht utopisch, insbesondere in Anbetracht des Optimumgedankens. Meine letzten vier Marathons, auf die ich mich mit meiner alternativen Methode vorbereitet habe, lief ich zwischen 3:10 und 3:18 h. Eine Zeit in diesem Bereich wäre für mich zufriedenstellend. Bleibt am Ende eine 3:20 h + stehen, ich hatte aber das Gefühl, konstant, den Wetterbedingungen und meinem Trainingszustand entsprechend gelaufen zu sein, wäre das Ziel auch erreicht
- ich nach einem ggf. anfänglichen Muskelkater eine aktive Regenerationsphase ohne Probleme mit meinen Fersenspornen, den Knien oder sonstigen Strukturen gestalten kann.
Gutes Allgemeinbefinden und gute Blutwerte…
…bedingen einander zum Großteil. Hierzu gehören unbedingt auch adäquate Hormonspiegel, auf die ich hier nicht näher eingehe. Im Einzelnen heißt das für mich, dass
- ich über genügend Energie verfüge, um neben dem Training auch meinen Alltag problemlos bewältigen zu können
- mein Schlaf erholsam ist
- ich nicht das Gefühl habe, es ist zu viel für mich; kein zusätzlicher Stress (neben dem Training)
- ich im Großen und Ganzen entspannt bleibe
- meine Baustellen, insbesondere mein GGT-Wert (Leber), eine deutliche Tendenzumkehr aufweist. Es wäre prima, wenn diese Blutwerte im (sehr?) guten Bereich liegen würden. In Anbetracht der Gesamtbelastung und des Optimumgedankens wäre ich jedoch schon mit einer erkennbaren Verbesserung im Vergleich zu den Vorjahren zufrieden.
Mindestens Erhalt, besser Aufbau der Muskelmasse
Bisher nahm ich, wenn es um das Erreichen eines möglichst niedrigen „Wettkampfgewichts“ ging, in Kauf, auch etwas Muskelmasse einzubüßen. Das möchte ich diesmal vermeiden. In stark ausgeprägten katabolen Phasen droht nicht nur Muskelabbau. Auch der Hormonstatus (Cortisol ↑, Testosteron ↓, Schilddrüsenhormone ↓ etc.) und der Stoffwechsel werden negativ beeinflusst. Lieber etwas muskulöser, gesünder und dafür langsamer ins Ziel kommen als (vielleicht) ein paar Minuten schneller dafür aber insgesamt unfitter.
Mindestens Erhalt, besser Verbesserung der Beweglichkeit
Neben dem Laufen und dem Krafttraining wird die Beweglichkeitsarbeit weiterhin ihren hohen Stellenwert behalten. Die Zeiten als ich nach meinen Long Runs die Laufschuhe nicht mehr schmerzfrei ausziehen konnte, sind definitiv vorbei. Allgemeine Schmerzfreiheit -vom Muskelkater abgesehen- ist das oberste Gebot.
Intaktes Familien- und Sozialleben
Ich bin voll berufstätig, d.h. mein Training absolviere ich in meiner Freizeit. Bei fünf bis acht Trainingseinheiten in der Woche, auch wenn diese zum Teil sehr kurz sind, kommt die übrige Freizeit schnell zu kurz. Das Bloggen und Lesen sollen auch noch dazwischen gepackt werden. Meine Familie kennt das schon lange und hat sich damit größtenteils arrangiert. Meine Frau ist zum Glück selbst eine gute Läuferin und Triathletin. Sie weiss, dass der Ausdauersport eine trainings- bzw. zeitintensive Angelegenheit ist. Unsere Kinder werden immer größer und nabeln sich immer mehr ab. Trotzdem will ich noch genügend Zeit mit Ihnen verbringen. Das ist mir in den vergangenen ein paar Jahren nicht immer so gut gelungen 😥 .
Das Sozialleben kommt bei mir definitiv zu kurz. Das dürfte in Anbetracht des Vorhergeschriebenen nicht überraschen. Ich möchte auch während der Marathonvorbereitung Zeit finden, mit meinen Freunden in die Sauna zu gehen oder mit Trainerkollegen einen fachlichen Austausch zu pflegen.
Auf welche Heuristiken setze ich und wie kommt das „via Negativa“-Prinzip zum Tragen ?
Jetzt wird es etwas konkreter. Eins muss ich allerdings noch vorwegschicken: Der Marathonlauf ist eine neumoderne Erfindung des Menschen. Unsere Vorfahren, nicht nur die in der Steinzeit, wären niemals auf die Idee gekommen, frewillig so schnell wie möglich 42,195 km zu rennen; wofür? Wir tun es ausschließlich aus einem Grund: Befriedigung unseres Ego´s!
Die nachfolgenden Heuristiken leite ich aus den vergangenen 99,5% unserer Evolution, also aus der Steinzeit, ab; zumindest sogut wir es wissen. Sie eignen sich mit Sicherheit dafür, gesund und fit zu bleiben bzw. zu werden. Ob sie auch dafür geeignet sind, alle meine oben genannten Ziele zu erreichen, weiß ich nicht.
Laufen:
- es gibt keine festen Vorgaben was die Anzahl der Trainingsläufe in der Woche angeht. Fühle ich mich gut und habe Lust zu laufen, dann laufe ich. Mindestens dreimal wöchentlich müsste es aber schon sein, zumindest im Durchschnitt der zwölf Wochen
- es gibt keine festen Vorgaben was die Laufkilometer angeht. Eigentlich habe ich mir vorgenommen, nicht mehr als 21 km am Stück zu laufen. Sollte ich dennoch wieder Lust verspüren, mehr zu laufen, werde ich es tun
- es gibt keine festen Vorgaben hinsichtlich der Trainingsintensität. GA2-Intervalle, Lauf-HIIT, Lauf-Tabata, es sind alles hoch effektive Trainingsformen, ich habe sie bisher oft erfolgreich praktiziert. Diese Bereiche können aber mit etwas Erfahrung auch ohne Uhr, nach Gefühl, abgedeckt werden. Dabei kann die Anzahl der Intervalle je nach Tagesform gewählt werden. Statt der GA2-Intervalle bietet sich das „gute, alte“ Fahrtspiel an. Das simuliert die Jagd des steinzeitlichen Jägers am besten. Langsames Traben wechselt sich mit schnelleren Passagen ab, bis hin zum Sprint
- für kürzere Laufeinheiten bieten sich ggf. die Barfußschuhe an. Damit kräftige ich meine Fußmuskulatur. Sollte die Belastung auf die Füße, die Achillessehnen und die Waden in Anbetracht der Gesamtumfänge zu groß sein, muss das Barfußlaufen auf die Zeit nach dem Marathon warten.
Krafttraining:
- kurze Workouts, maximal 30 Minuten pro Trainingseinheit (inkl. Warm-Up)
- Kraftausdauer, Maximalkraft, Muskelaufbau. Alle diese Bereiche sollten abgedeckt werden
- wie bisher auch schon, keine Isolationsübungen. Stattdessen Mehrgelenksübungen mit Schwerpunkt Bodyweight Exercises (BWE). Hilfsweise Einsatz von Kettlebells und -sollte ich mir tatsächlich noch eine Langhantel zulegen- von einer Langhantel
- Pull, Push, Hüft-, Kniedominante Übungen (auch einbeinige Varianten) und Rotationsübungen. Mehr braucht kein Mensch (via Negativa)
- keine festen Vorgaben bezüglich der Trainingsintensität (Wiederholungen, Sätze, Satzpausen etc.)
- keine festen Vorgaben bezüglich der Anzahl der Workouts in der Woche.
Es bedeutet im Endeffekt ein weitestgehend autoreguliertes Training, das lediglich die obigen Leitplanken beinhaltet. Auch die Progression, die für die Superkompensation (Hormesis-Effekt) nötig ist, müsste sich autoreguliert einstellen. Das widerspricht so ziemlich allen Trainingsplänen, die es gibt bzw. die ich kenne. Ist das vielleicht DIE „Alternative Marathonvorbereitung 2.0“ 😉 ?
Beweglichkeit:
Ich investierte bisher und investiere immer noch relativ viel Zeit in die Verbesserung meiner Beweglichkeit. Die Fortschritte stellen sich zwar ein, aber ich bin noch lange nicht da angekommen, wo ich hin will. Zwecks Optimierung der mir zur Verfügung stehenden (Frei)Zeit werde ich hier Prioritäten setzen (müssen):
- weitere Verbesserung meiner Beweglichkeit in den Sprunggelenken und den Hüften (tiefe Hocke). Meinen Adduktoren sollte ich noch viel Aufmerksamkeit widmen
- Beibehaltung, ggf. Verbesserung meiner Beweglichkeit in der Wirbelsäule. Eine geschmeidige Wirbelsäule ist nicht nur für ein effektives Laufen essentiell
- geschmeidige Muskeln und Faszien, insbesondere in den unteren Extremitäten
- allgemeine Schmerzfreiheit (siehe auch weiter oben).
Heuristiken sind mir hier nicht bekannt. Der Steinzeitmesch hat mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Beweglichkeitsarbeit praktiziert. Diese hatte er im Gegensatz zu uns, „modernen“ Menschen, auch nicht nötig.
Ernährung, Nahrungsergänzung:
Über eine gesunde Ernährung habe ich schon einiges geschrieben. Im Großen und Ganzen finde ich den Paläo-Ansatz gut. Dennoch bin ich nicht dogmatisch. Mittlerweile glaube ich, dass eine Kombination unterschiedlicher Ernährungsformen, paläo, vegetarisch, vegan, Rohkost etc., die größten gesundheitlichen Vorteile bietet. Ich stelle mir einen Wechsel in Mikro- oder Makrozyklen vor. Ein Mikrozyklus kann beispielsweise eine Woche sein. Am Montag esse ich Fleisch (paläo), Dienstag vegan, Mittwoch Fisch (paläo), Donnerstag vegetarisch (mit Eiern). Freitag wieder vegan, Samstag wieder Fisch und Sonntag wozu ich Lust habe. Gemüse bildet in allen Ernährunsgformen die Grundlage, das müsste sich mittlerweile herumgesprochen haben. Auf diese Idee brachte mich übrigens Nassim Nicholas Taleb, der diesen Ansatz in seinem Buch „Antifragilität“ kurz anreißt.
Temporäre Nahrungskarrenz, also intermittierendes Fasten, kann u.a. den Trainingseffekt, wenn richtig dosiert, verstärken (u.a. Bildung neuer Mitochondrien, Optimierung des Fettstoffwechsels). Bei der Gesamtbelastung während der zwölf Wochen gilt es hier, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Fasten- und den Essensperioden zu finden. Ein adäquates Nährstoffangebot (durchaus auch Kohlenhydrate!) ist für die Energieversorgung und die Regeneration unerlässlich.
Dazu gehören auch Nahrungsergänzungsmittel (NEM). Der Bedarf an NEM während der Marathonvorbereitung ist größer als sonst. Trotzdem werde ich ganz nach dem „via Negativa“-Prinzip prüfen, welche der NEM ich ggf. weglassen kann bzw. sollte. Hormetische Reaktionen, die nach dem Training ablaufen, können durch zusätzliche Antioxidantien in Form von NEM konterkariert werden. Darüber habe ich vor längerer Zeit auch schon geschrieben (damals kannte ich den Begriff Hormesis noch gar nicht).
Ich weiß noch nicht, ob die NEM nicht ursächlich für meinen schlechten GGT-Wert (Leber) sind. Aktuell nehme ich fast keine NEM ein und werde im Oktober die Blutwerte noch einmal checken lassen. Danach bich ich schlauer.
Regenerative Maßnahmen…
…sind relativ simpel:
- Einleitung der Regeneration durch einen Eiweißshake mit etwas KH (eine Banane ist immer gut 💡 )
- Gute Versorgung mit Mikro- und Makronährstoffen (auch mit NEM; siehe weiter oben)
- Guter, erholsamer Schlaf
- Kälte- und Wärmeanwendungen (kalte Duschen, Sauna)
So der Plan 😀 .
Ich hoffe, ich kann diesen Ansatz schon im kommenden Jahr ausprobieren. Das setzt voraus, dass ich bis dahin wieder voll belastbar bin.
Die größte Herausforderung im Zusammenhang mit Hormesis…
…liegt darin, die optimal effektive Dosis zu finden. „Sport ist gesund“, „Sport ist Mord“. Beide Sprüche sind richtig, Der Unterschied liegt lediglich in der Dosis. Wer zuviel des Guten riskiert, läuft Gefahr, sich zu verletzen, krank zu werden und im Extremfall auch zu sterben. Ist die Dosis sinnvoll bemessen, d.h. wird der Körper leicht überschwelligen Reizen ausgesetzt und hat Zeit, sich von diesen zu erholen, wird er leistungsfähiger, gesünder (Superkompensation), fitter. Das Gleiche gilt für die anderen Stressoren, sei es die Ernährung, die NEM´s oder das Fasten.
Mein Fazit
Ich habe ziemlich weit ausgeholt, weil ich gleich mehrere Zielsetzungen beschreibe, die ich unter einen Hut bringen will. Dieser Ansatz eignet sich aber auch für jede andere Zielsetzung gut, davon bin ich überzeugt. Er kann mit etwas Übung zu einer allgemeinen Lebenseinstellung avancieren. Es steckt noch sehr viel Potezial darin, und ich bin mir sicher, dass ich noch längst nicht alle Aspekte bzw. Nuancen bedacht habe. Das eine oder andere wird sich vermutlich bei der Umsetzung noch ergeben. Das macht es für mich noch interessanter 😛 .
Auch Du kannst davon profitieren. Es sind ein paar simple Schritte, die du dafür durchgehen solltest:
- definiere dein Ziel / deine Ziele und den Zeitraum für dessen/ deren Erreichung
- prüfe, welchen Stressoren du auf dem Weg zu deinem Ziel / deinen Zielen ausgesetzt wirst
- prüfe, wie du die Stressoren dosieren kannst, damit eine hormetische Reaktion erfolgt (das ist, wie bereits erwähnt, vermutlich die größte Herausforderung)
- welche Heuristken kannst du dafür einsetzen? Kennst du ggf. altbewährte Methoden, deren du dich bedienen kannst?
- überlege dir gut, welche Maßnahmen überflüssig sind bzw. deine Ziele sogar konterkarieren können. Was kannst du weglassen?
- pack es an und schaue wie es funktioniert. Nimm bei Bedarf Anpassungen an.
Solltest du tatsächlich versuchen, dein Ziel/ deine Ziele mit den Prinzipien der Antifragilität, Hormesis, Heuristiken und „via Negativa“ zu erreichen, wünsche ich dir auf dem Weg dahin ein gutes Gelingen. Es gibt dazu meines Wissens noch keine Erfahrungsberichte. Es wäre daher prima, wenn du einen solchen nach deinem Experiment im Kommentarfeld hinterlässt; Ich freue mich darauf 🙂 .
Dein Peter Buchmann
Foto: Buchmann privat, “Antifragilität“
Quellen:
Nassim Nicholas Taleb: „Antifragilität – Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen“
Richard Friebe: „Das Prinzip der Widerstandskraft – Hormesis: Wie Stress und Gift uns stärker machen“
Prof. Dr. Med. Bernd Kleine-Gunk: „15 Jahre länger leben – Die 7-Säulen-Anti-Aging-Strategie nach dem Hormesis-Prinzip“