Ironie des Schicksals, oder – wer weiß, wofür es gut war?

Dumm gelaufen

Ich fühle mich gut, es läuft und ich freue mich auf die entspannte(re) Trainingszeit nach dem Hannover-Marathon… 25.05.2017 abends, ich sitze im Fersensitz am Rechner, will schnell aufstehen, nein, aufspringen, es knallt… Aua, Schei…, das tut weh; es ist die Innenseite meines linken Knies, es fühlt sich nicht gut an. Ich bewege mich drei Tage lang ziemlich unrund, arbeite trotzdem sogut es geht weiter an meiner Beweglichkeit. Am dritten Tag fällt mir am Ende des Mobilitytrainings die Übung „Flexion-Gapping“ ein. Plopp, es knackt wieder, diesmal fühlt sich das besser/ gut an. Ich habe das Gefühl, ich hab´s wieder „eingerenkt“. Das linke Knie ist in den drei Tagen etwas dicker geworden, aber ich bin guter Dinge, das wird schon,…denke ich mir.

Mittwoch abend, nur sechs Tage, nachdem es passiert ist, gehe ich zum Lauftraining und trainiere mit. Ich laufe locker, es tut nicht weh, das wird schon,…denke ich mir.

Vier Wochen laufe ich dreimal die Woche, mache mein übliches Kraft- und Kraftausdauertraining sowie  Mobility. Prying Goblet Squat gehört neben dem Hanging täglich zu meiner Mobility-Routine. Es fühlt sich immer besser an, nur…beim Laufen  schnappt es immer wieder so komisch auf der Innenseite meines linken Knies. Nach dem Laufen habe ich jedes Mal das Gefühl, dass es etwas schlimmer wird, in der Tendenz geht es aber gefühlt aufwärts.

22.06.2017, vier Wochen nach dem „Unfall“, fühlt es sich deutlich schlechter an. Na ja, gestern standen Bergsprints im Kurpark auf dem Plan und ich bin mitgelaufen, wenn auch mit angezogener Handbremse. Ich lege eine Laufpause ein, bis das Knie wieder gesund ist, entscheide ich.

Die Tage vergehen, es wird von Tag zu Tag besser, aber das Schnappen tritt immer wieder auf, auch beim Gehen. Das linke Knie ist immer noch etwas dicker als das rechte, es dauert eben seine Zeit. Ich habe wirklich Spaß an der Beweglichkeitsarbeit und am Krafttraining (das Workout nahm ich am 04.07.2017 auf), das Laufen fehlt mir trotzdem. Es dauert bestimmt nicht mehr lange, dann lege ich wieder los, das wird schon, …denke ich mir.

…und dann:

08.07.2017, Wochenende, ich lese morgens ein Buch und trinke dabei einen Latte Macchiato, es ist perfekt. Nun könnte ich mich etwas bewegen, ich gehe hoch in mein Home-Gym. Eine Minute Prying Goblet Squat, dann 1:30 Min. Hanging, dann wieder drei Minuten tief hocken mit der leichten Kettlebell, ich stehe normal auf, das linke Knie gleitet minimal nach links ab, ein Schmerz durchzieht mich; Schei… .

Ich schütte vermutlich sehr viel Adrenalin aus, schnappe mir einen Lacrosse Ball und „renke es wieder mit Flexion-Gapping ein“. Es tut aber Schei… weh. Ich wickle mein Knie mit dem Flossband ein und mache Ausfallschritte, nein, ich versuche sie zu machen. Es tut aber Schei… weh. Ich hänge trotzdem insgesamt weitere 3:30 Minuten und hocke noch insgesamt weitere 6 Minuten; Alles reine Übersprungshandlungen…. Ich könnte heulen 😥 . Es tut Schei… weh. Jeder Schritt tut weh, ich kann nicht mehr richtig gehen, auch beim Sitzen schmerzt das linke Knie.

10.07.2017, Montag morgen, ich gehe zu Fuß zu einer Ärztin. Für die rd. 2 km brauche ich ca. 45 Minuten. Verdacht auf Innenmeniskusriss. Donnerstag, 13.07.2017, MRT (ich habe keine Beziehungen in der Radiologie 😉 ), 14.07.2017 bin ich wieder bei der Ärztin. Sie schaut sich weder das Knie noch die MRT-Bilder an, der schriftliche Befund reicht ihr aus: Der Verdacht hat sich bestätigt. Sie empfielt mir, es arthroskopisch operieren zu lassen. Es würde von alleine nicht besser werden bzw. es würde mich immer wieder heimsuchen, wenn ich es nicht operieren ließe. Menisken bestünden schließlich aus Knorpel und Knorpel würde sich nicht regenerieren, sagt sie.   Sie sagt auch, tiefe Hocke sei für die Knie nicht gut, ich solle auf meine Knie besser achten und es mit der Hocke lassen. Ich mag diese Ärztin, sie ist ziemlich direkt und klar in dem was sie tut und was sie sagt, aber…

…ich kenne Dr. Wolfgang Feil, ich kenne Roland Liebscher-Bracht (nicht persönlich). Ihre Sichtweise gefällt mir besser, sie sind der Meinung, auch Knorpel kann sich regenerieren. Ich blättere wieder in den beiden Büchern, „Die Dr. Feil Strategie – Arthrose und Gelenkschmerzen überwinden“ und „FaYo Das Faszien-Yoga: Die enorme Heilkraft des Bindegewebes nutzen„. Beim zweiten Mal Durchlesen rücken bestimmte Aspekte mehr in den Fokus als beim ersten Mal.

Wie soll es nun weitergehen?

Wem glaube ich? Ich weiß es nicht. Mir fällt ein, dass wir demnächst für zwei Wochen in den Urlaub fliegen. Die Vorfreude ist groß; aber mit Knieschmerzen? Es tut immer noch Schei… weh.

Letztes Jahr, eine Woche vor dem Hamburg-Marathon, war ich zu einer „LNB Motion-Stunde“ bei Christian Aulbach, einem nach LNB (Roland Liebscher-Bracht) ausgebildeten und praktizierenden Schmerztherapeuten. Die 1,5 Stunden waren leider schnell vorbei. Anschließend haben Christian und ich uns aber noch ziemlich lange unterhalten. Es war für mich sehr erkenntnisreich, damals habe ich gespeichert: wenn ich irgendwann eine ernsthafte Verletzung haben sollte, wäre Christian meine erste Anlaufstelle.

20.07.2017, Donnerstag, es ist so weit.  Meine Schmerzen sind seit dem 08.07.2017 immer weniger geworden. Bin ich bald wieder komplett schmerzfrei? Nach einer ausführlichen Anamnese und der anschließenden Osteopressur sind meine Schmerzen bei bestimmten Bewegungen bzw. Positionen zwar noch da, ein Tag später ist jedoch der „Morgen-Schmerz“ (das Anwinkeln des linken Beins nach dem Aufwachen) zum ersten Mal nur noch kaum spürbar 😀 .

Fazit des Termins bei Christian: Ich versuche es mit konservativer Therapie, d.h. im Wesentlichen mit einem angepassten Beweglichkeitstraining. Mein Ziel ist, in ca. drei Monaten weitestgehend wieder belastbar zu sein. Sollte ich auf der Wegstrecke wieder einen Rückschlag erleiden oder feststellen, dass es nicht kontinuierlich besser wird, kommt die Option B -eine Arthroskopie- zum Zuge.

Ich denke viel nach,…

…habe ich bisher alles oder vieles falsch gemacht? Ich, der „Beweglichkeitsapostel“ schlecht hin, verletze mich ausgerechnet bei einer Beweglichkeitsübung, die ich seit Monaten jeden Tag mache und die mich eigentlich beweglicher, gesünder machen soll(te). Ich laufe seit langem auf dem Vor- bzw. Mittelfuß, um die passiven Strukturen, darunter auch die Kniegelenke, zu schonen und dann so etwas; Ironie des Schicksals.

Als ich sechzehn Jahre alt war fing ich mit dem Karatetraining an und blieb ca. zwei Jahre dabei. Meine Hüften waren schon damals nicht sehr beweglich, ich wollte aber hoch kicken, wie Bruce Lee. Ich weiß nicht wie oft ich die mangelnde Hüftbeweglichkeit kompensierte, indem ich meine Knie über Gebühr verdrehte. Mit zwanzig meldete ich mich in einem Fitnessstudio an. Ein Trainer begutachtete mich zu Anfang und stellte fest, mein linkes Knie wäre nicht ganz in Ordnung,  es knirschte etwas. Bis zum dreißigsten Lebensjahr spielte ich Handball, mit Unterbrechnungen waren es ungefähr siebzehn Jahre. Meine Knie waren dabei hohen Belastungen ausgesetzt. Danach kam der Ausdauersport mit den unzähligen Laufkilometern. Seit ca. einem Jahr stehe ich bei der Arbeit mehr als ich sitze. Das spüre ich seit dem immer wieder in den Knien. Warum schreibe ich das alles? Um dir und mir selbst klar zu machen, dass meine Knie bisher ganz schön viel aushalten mussten und es gut ausgehalten haben. Ich hatte bisher nie Probleme mit den Kniegelenken.

Die Beweglichkeitsarbeit ist wichtig, dazu stehe ich 100%-ig, nach wie vor. Auch die tiefe Hocke ist für mich weiterhin die natürlichste (Ruhe)Position des Homo Sapiens. Nur, wir haben es leider verlernt, unsere Strukturen haben sich über Jahre, Jahrzehnte an die Bewegungen, die wir die meiste Zeit einnehmen -oder eben nicht einnehmen- angepasst. Wenn dabei einige Strukturen, zum Beispiel die Knie, etwas Schaden genommen haben, sind sie natürlich anfälliger im Vergleich zu den Naturvölkern, die ihr ganzes Leben in der Hocke verbringen. Das war mir bisher nicht ganz so klar, nun bin ich etwas schlauer.

Gehockt bin ich übrigens trotzdem wieder, in dem Termin bei Christian Aulbach. Es fühlte sich super gut an, Null Schmerzen 😀 . Seinen Tipp, ohne die Kettlebell, d.h. ohne Anspannung zu hocken, werde ich beherzigen. Meine große Baustelle sind übrigens die Adduktoren. Das habe ich auch schon im Rahmen des Beweglichkeits-Adventskalenders 2016 richtig erkannt, nur leider die Dehnübung, die ich hinter dem 11. Türchen vorstelle, sehr selten gemacht 😳 .

Wäre es vielleicht besser gewesen, die tiefe Hocke und vielleicht einige andere Übungen weg zu lassen? Keine Ahnung, ich glaube aber nicht. Dann wäre es womöglich der untere Rücken oder die Hüften, oder, oder, oder… gewesen.

Wer weiß, wofür es gut war

Am Ende meines Beitrags „Wofür das Ganze? Meine Motivation“ schreibe ich:

„Mein letzter Tipp zum Thema Motivation: Es ist wichtig, einmal mehr aufzustehen als hinzufallen. Dieser Spruch mag zwar abgedroschen klingen, er beinhaltet aber sehr viel Wahrheit. Es ist schon frustrierend, nach einer Verletzungspause wieder bei 50% (oder noch weniger) anzufangen. Darüber kann ich ein Lied singen 😥.“

Nun kann ich ein Lied mehr singen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich so schnell daran messen lassen muss.

Ich glaube nicht an Zufälle. Alles was passiert (= Wirkung) hat eine bestimmte Ursache, die wir nicht immer erkennen. Manchmal liegt die Ursache ganz, ganz weit zurück (Karatetraining mit 16?). Deshalb versuche ich, stets positiv zu denken, nicht nur wenn es mir gut geht. Auch, oder gerade wenn es nicht so läuft wie ich es mir wünschte, versuche ich optimistisch zu bleiben. Wer zum Beispiel die Transsurfing-Bücher von Vadim Zeland gelesen hat, weiß, wovon ich spreche. …Wer weiß, wofür der Meniskusriss gut war?

Dein Peter Buchmann

UPDATE vom 07.10.2017:

Es war mehr kaputt als ich dachte. Ich musste ca. 1/3 des Innenmeniskus entfernen. Der Außenmeniskus und das Kreuzband sind aber gut.

Es waren die ersten Wörter, die ich nach der Operation von dem Chirurgen, der gerade noch mein linkes Knie operiert hatte, gehört. Es war am 08.09.2017, genau zwei Wochen nach einem Rückfall.

Mitte August d.J. fing ich wieder an zu laufen. Es waren drei Läufe, von denen der längste 4 km lang war. Es tat im linken Knie nichts weh und es fühlte sich gut an. Dann, am Freitag, den 25.08.2017, passierte es beim Beweglichkeits-/Krafttraning: Ich mache die einbeinige Brücke, 10 Wiederholungen . Mein rechter Fuß ist aufgestellt (Aktivierung und Kräftigung der rechten Gesäßhälfte), während ich mit den Händen mein linkes gebugtes Bein unter eine hohe isometrische Anspannung bringe. Nach der zehnten Wiederholung strecke ich das linke Bein ganz langsam und vorsichtig aus, und es passiert trotzdem. Ein Gefühl, das sich schlecht beschreiben lässt. Es tut in dem Moment gar nicht Mal so weh, du fühlst aber, dass ein Teil/ ein Stück des kaputten Innenmeniskus sich da irgendwo wieder verhakt/ eingeklemmt hat. Du spürst sofort, dass dich dieser Augenblick um mindestens vier Wochen wieder zurückgeworfen hat.

Drei Tage später ist das Knie wieder dick und es tut  weh. Es dauert vielleicht noch mehr als vier Wochen bis ich wieder da bin, wo ich vor dem Rückfall schon war. Selbst, wenn ich noch weiter komme als beim letzten Mal, weiß ich, dass irgendwann wieder der Moment kommen kann, an dem ich eine andere Übung mache und es mich wieder erwischt; vielleicht kurz vor dem nächsten Marathon oder dem nächsten Urlaub? Ich entscheide mich dann doch für eine OP.

Zum Glück bekam ich recht kurzfristig einen Termin beim Arzt und einen Tag später wurde ich operiert.

HEUTE…

…während ich dieses Update schreibe, ist die Knie-OP schon vier Wochen und ein Tag her.  Mit dem  Heilungsprozess bin ich bisher sehr zufrieden. Der Chirurg, den mir ein befreundeter Physiotherapeut/ Osteopath empfohlen hat (danke, Dino), hat gute Arbeit gemacht. Ich bin gespannt wie es jetzt weitergeht, bin aber weiterhin positiv eingestellt und blicke optimistisch in meine sportliche Zukunft 😛 .

Meine Haupterkenntniss…

…in Bezug auf meinen -sicherlich schon vorgeschädigten- Innenmeniskus ist, dass eine längere isometrische Anspannung, während der Kniebeugung nicht gut war:

  1. Relativ lang andauernder Fersensitz (25.05.2017)
  2. Prying Goblet Squat (tiefe Hocke) über mehrere Minuten (08.07.2017)
  3.  Einbeinige Brücke mit isometrisch angespannten linken Bein (25.08.2017)

Ich weiß noch nicht wie ich mein künftiges Kraft- und Beweglichkeitstraining gestalten werde und welche Bewegungsmuster dort Eingang finden, die tiefe Hocke habe ich aber noch nicht aufgegeben 😉 .

Dein Peter Buchmann

 

Foto: Buchmann privat, “Innenmeniskus“

4 Gedanken zu „Ironie des Schicksals, oder – wer weiß, wofür es gut war?“

    1. Hallo Micha,

      ich spüre es immer noch leicht, manchmal. Dennoch kann ich wieder alles machen…auch in der tiefen Hocke hocken 🙂 .
      Der Chirurg bescheinigte mir damals, dass an meinem Meniskus mehr kaputt war als er dachte. Ich habe es 2 Mal versucht, konservativ zu therapieren, danach wollte ich nicht mehr. Ich denke, dass es immer eine Einzelentscheidung bleibt. Grundsätzlich würde ich immer erst einmal von einer OP abraten. Aber ja, bei mir war es der richtige Schritt.

      Viele Grüße
      Peter

  1. Hallo Peter,

    vielen Dank für die Rückmeldung.

    OP ist bei mir auch immer letzte Wahl, zumal ich im Bekanntenkreis mitbekommen habe, dass manche 1 Jahr nach der OP wieder Probleme bekamen. Aber das hängt dann auch oft mit deren Lebensweise zusammen, sprich kein Muskeltraining bzw. keine Stärkung der Quads und Hamstrings.

    Habe bei mir auch den Verdacht, dieses Problem mit dem mir neulich antrainierten Fersensitz forciert zu haben. Wenn man 45 Jahre keinen Fersensitz bzw. regelmäßig tiefe Hocke gemacht hat, sollte man es wahrscheinlich gar nicht mehr anfangen, oder zumindest nur sehr behutsam über einen langen Zeitraum.

    Zusätzlich scheint bei mir auch das Außenband noch gedehnt/angerissen zu sein, bei einer blöden Drehung.

    Mal schauen wie viel Zeit ich mir gebe, aber 1 Jahr werde ich es auf jeden Fall ohne OP probieren…

    Viele Grüße & Gesundheit
    Micha

    1. Hallo Micha,

      ich glaube, dass „…gar nicht mehr anfangen“ keine gesunde Option ist. Daher kann ich mich eher hinter deiner Aussage „oder zumindest nur sehr behutsam über einen langen Zeitraum“ versammeln. Ich wünsche dir ein gutes Gelingen und die/das dafür nötige Disziplin/ Durchhaltevermögen.

      Viele Grüße
      Peter

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