In meinem Beitrag „Was bedeutet Fitness und wofür ist sie gut?“ bin ich auf das Thema Fitness näher eingegangen. Die Beweglichkeit (Flexibility und Mobility) stellt, wie du in dem vorgenannten Beitrag nachlesen kannst, eine der 10 Fähigkeiten dar, die Greg Glassman, der Begründer von CrossFit®, unter dem Begriff Fitness subsummiert.
Auch wenn jeder in Bezug auf Fitness seine eigenen Prioritäten haben wird, bin ich fest davon überzeugt, dass eine gute Beweglichkeit unbedingt unter die TOP3 dieser Fähigkeiten gehört; wenn nicht sogar an erste Stelle. Warum? Das erkläre ich dir gleich. Zunächst noch ein kurzer Exkurs:
Spezialisierung vs. allgemeine Fitness
Jede Spezialisierung in einer bestimmten Sportart bringt Verschiebungen innerhalb dieser Skills mit sich. Je höher das Leistungsniveau desto stärker ausgeprägt werden diese Verschiebungen ausfallen. Die schnellsten Marathonläufer der Welt verfügen nicht unbedingt über viel Kraft, insbesondere in den oberen Extremitäten. Auch die Schnelligkeit, Explosivität und Agilität sind bei ihnen nicht besonders gut entwickelt. 100m-Sprinter haben hingegen eine schlechtere Ausdauer und weniger Durchhaltevermögen. So könnte ich jetzt viele weitere Sportarten betrachten und käme zu ähnlichen Ergebnissen. Es gibt nur wenige Sportarten, bei denen die Besten der Welt rundum fit sind. Mir fallen spontan nur drei ein:
- die CrossFitter. Wer sich die besten CrossFitter der Welt in Aktion anschaut, wird schnell erkennen warum
- die Turner. Eine Turnübung an den Ringen ist der helle Wahnsinn; Körperbeherrschung pur, und
- die Zehnkämpfer, die Könige der Leichtathletik.
Kommen wir zurück zum „Otto-Normalsportler“. Auch er hat Ambitionen und trainiert viel und hart, um seine sportlichen Ziele zu erreichen. Dabei läuft er Gefahr, sich nur auf eine, aus seiner Sicht wichtigste Fitnesskomponente zu fokussieren und alle anderen komplett zu vernachlässigen. Das mag lange Zeit gut gehen und die sportlichen Leistungen können auch beachtlich sein. Dennoch wird sich bei ihm früher oder später die mangelnde rundum Fitness bemerkbar machen.
Die Auswirkungen von Kraftdefiziten, z.B. bei Läufern, oder mangelnder Ausdauer, z.B. bei Kraftsportlern, sind im Alltag nicht unbedingt so offensichtlich, zumindest heutzutage. Früher, in der Steinzeit,.., ach, lassen wir das 🙂 .
Was bedeutet in diesem Kontext aber eine schlechte Beweglichkeit? Damit wären wir wieder beim eigentlichen Thema dieses Beitrags.
Es gibt Bewegungsmuster,…
…die jeder gesunde Mensch beherreschen sollte, davon bin ich überzeugt. Eins davon ist zum Beispiel die tiefe Hocke. Diese Bewegungsmuster, über die ich noch mehr schreiben möchte (ggf. auch mit zusätzlichen Videos) erfordern einen gut funktionierenden Bewegungsapparat, insbesondere Gelenke, Muskeln, Faszien, Sehnen, Bänder. Wer die ständige Pflege dieser Strukturen vernachlässigt, entweder, weil er sich so sehr auf seinen eigentlichen Sport konzentriert, oder, was noch schlimmer ist, gar nichts macht (Couch Potato), wird früher oder später die Rechnung bekommen.
Mindestens 10 Minuten täglich!
Einschränkungen der Beweglichkeit münden früher oder später in Schmerzen, oft chronischen Schmerzen. Beschwerden im unteren Rücken sind ein klassisches Beispiel dafür. Aus diesem Grund sollte jeder Erwachsene mindestens 10 Minuten, gerne auch mehr, in den Erhalt bzw., wie das bei den meisten der Fall sein dürfte, in die Verbesserung ihrer Beweglichkeit investieren. Je mehr am Tag gesessen wird, umso länger darf an der Beweglichkeit gearbeitet werden 😉 . Ein Beispiel dafür findest du hier. Wie diese Rechnung speziell bei Sportlern/Läufern aussehen kann, kannst du in meinem Beitrag „Wege zu einer verbesserten Beweglichkeit“ nachlesen.
Der Ausbau der sportartspezifischen Fähigkeiten, ob Schnelligkeit, Kraft, Ausdauer, Explosivität usw. kann nur auf der Grundlage einer guten Beweglichkeit erfolgen, zumindest, wenn man langfristig gesund und leistungsfähig bleiben möchte. Die Betonung liegt hier auf langfristig. Natürlich gehört auch eine gute Rumpfstabilität unbedingt dazu.
Über einen bestimmten Zeitraum kann es auch mit deutlichen Einschränkungen in der Beweglichkeit funktionieren. Das habe ich selbst erfahren und sehe es immer wieder bei anderen Sportlern. Die Fokussierung auf die Verbesserung nur einer Fähigkeit, zum Beispiel der Ausdauer (neue Bestzeit im Marathon?), sind durchaus legitim und für mich sehr gut nachvollziehbar. Auf die Dauer funktioniert es aber nicht, versprochen 😉 . Dazu ein gutes Beispiel aus der September/Oktober 2016-Ausgabe der Zeitschrift „aktiv Laufen“. Dort schreibt Rafael Fuchsgruber, lt. vorgenannte Zeitschrift Deutschlands erfolgreichster Wüstenläufer,
„Auf jeden Fall ist die gesamte linke Körperhälfte hart wie ein Brett…Das Laufen wird eine lange Pause bekommen…„.
Gute Beweglichkeit ist Trumpf
Ich sehe eine gute Beweglichkeit als essentiell an. Für mich gehört sie nach ganz oben auf der Skala der 10 Fähigkeiten, die Fitness ausmachen. Klar, sind mir auch eine gute Ausdauer, Kraft und Koordination wichtig. Diese Fähigkeiten trainiere ich auch regelmäßig. Als Fundament, auf dem ich diese Skills ausbaue, steht aber die Beweglichkeit 💡 .
Ich bin mittlerweile ein Beweglichkeitsfreak 🙂 , nicht weil ich so super beweglich bin. Ganz im Gegenteil, es gibt bei mir genug Baustellen, an denen ich zu arbeiten habe. Mich fasziniert das Thema Beweglichkeit, weil ich ihre Bedeutung für die allgemeine Fitness und Gesundheit erkannt habe. Ich bin mir sicher, dass ihr Stellenwert in naher Zukunft sich deutlich erhöhen wird; spätestens wenn sich der Zusammenhang zwischen Beweglichkeit (und Bewegung im Allgemeinen) und Schmerzen, insbesondere den chronischen Schmerzen immer mehr herumspricht.
Die tiefe Hocke, um das Beispiel von oben wieder aufzugreifen, mag für viele keinerlei Bedeutung haben. Schließlich gibt es überall Stühle, auf denen man bequem sitzen kann. Wer ruht sich schon in der tiefen Hocke aus? Doch darum geht es nicht. Fällt es dir schwer, in die tiefe Hocke zu kommen, kannst du dir sicher sein, dass bei dir im System irgendetwas nicht stimmt. Das können deine Hüften sein oder deine Sprunggelenke oder etwas ganz Anderes.
Meine Beweglichkeitsroutine
In meinem letzten Sommerurlaub habe ich fast jeden Tag eine halbe bis ganze Stunde in mein Mobility/Flexibilty-Training am Swimming-Pool investiert. Ich war dabei ein Exot, der von den anderen Hotelgästen komisch, vielleicht misstrauisch oder neidisch , fragend? oder wie auch immer angeschaut wurde. Nur ein einziger Hotelgast hat mich in den 2 Wochen darauf angesprochen und zeigte sich interessiert an dem was ich da so tat. Eine Aufnahme davon habe ich leider nicht. Dafür zeige ich dir im nachfolgenden Video eine kurze Beweglichkeitsroutine. die ich regelmäßig in meinem Home-Gym durchführe. Dadurch werde ich nicht unbedingt beweglicher, sondern ich versuche damit, die Zeit meiner Immobilität bei der Arbeit wieder wettzumachen:
Neben Büchern zum Thema Beweglichkeit, wie zum Beispiel „Werde ein geschmeidiger Leopard“ oder „Ready to Run„, jeweils von Kelly Starrett, kann ich die Internetseiten bzw. You Tube-Videos von Ido Portal oder Max Shank sehr empfehlen. Patrick Meinart ist eine Top-Adresse in Deutschland. Neben Mobility-Seminaren bzw. Work-Shops bietet es sich bei speziellen Beweglichkeitsproblemen an, einen guten Personaltrainer zu konsultieren. Es ist gut investiertes Geld 🙂 .
Dein Peter Buchmann
Foto: Privat, “Buchmann-Beweglichkeitsroutine”
Musik: EverMusic.de, „Andalusien Love“, „Little Africa“, „Day with Friends“.
Bei Ballengang und Barfußschuhen ist die tiefe Hocke eine Art Abfallprodukt. Dass die tiefe Hocke nicht funktioniert liegt neben dem Sitzen nämlich auch am falschen Gang und an den falschen Schuhen.
Hallo (wer?),
das wäre schön, funktioniert bei mir aber bisher nicht. Barfußschuhe trage ich seit Jahren, meine ersten Five-Fingers habe ich Anfang 2012 gekauft. Auch bei der Arbeit trage ich quasi Barfußschuhe. Zudem bin ich auch etliche Jahre auf dem Vorfuß gelaufen, seit einiger Zeit eher auf dem Mittelfuß mit aktivem Fußaufsatz. Bisher fiel die tiefe Hocke davon nicht ab :-(.
Viele Grüße
Peter
Beweglichkeit ist für mich als Triathletin auch ein absolut wichtiger Punkt. Ich versuche mit einer regelmäßigen Yogaroutine am Ball zu bleiben, was auch sehr gut funktioniert, wenn ich sie speziell auf mich zuschneide und genau zuhöre, was mein Körper verlangt.
Bezüglich der tiefen Hocke kann ich für mich feststellen, dass es viel mit der Stabilität der Fußgelenke aber auch mit der Flexibilität der Fuß- und Beinmuskulatur zu tun hat. Aber das hängt mit Sicherheit, wie du sagst, mit individuellen Bewegungsmustern ab.
Hallo Din,
Yoga ist mit Sicherheit eine prima Sache, nicht nur was die Beweglichkeit angeht. Auch der mentale Aspekt ist hierbei nicht zu verachten.
Ja, die Beweglichkeit in den Sprunggelenken und die bewusste Ansteuerung der Schienbeinmuskulatur sind für die tiefe Hocke mit entscheidend. Bei mir sind es aber auch die Hüftstrecker- und -Außenrotatoren (Gesäßmuskulatur), die ich geschmeidiger hinbekommen muss. Da diese Muskeln relativ verspannt sind, habe ich Probleme, mich mit dem geraden Oberkörper gegen die Oberschenkel zu lehnen, um nicht nach hinten umzufallen. Mit dem Prying Goblet Squat, den ich fast jeden Tag mehrere Minuten lang mache, wird es aber immer besser. ich bin zuversichtlich :-).
Viele Grüße, Peter