M. Psoas – „Ist er zu stark, bist du zu schwach“

Ich schenke Werbesprüchen gewöhnlich keine Beachtung. Als ich an das Thema „Psoas/ Hüftbeuger“ dachte, fiel mir mehrmals dieser Spruch aus der alten Fisherman´s Friend Werbung ein; Er „musste“ deswegen –in leicht abgewandelter Form- in den Titel des heutigen Beitrages rein 😛 .

Kurz zur Anatomie

M. Psoas major (nachfolgend nur Psoas), der große Lendenmuskel, ist der einzige Muskel im menschlichen Körper, der beide Körperhälften, also den Oberkörper und die unteren Extremitäten, miteinander verbindet. Er entspringt am fünften Lendenwirbel, manchmal am zwölften Brustwirbel, und setzt am Oberschenkelknochen an. Er ist zusammen mit dem M. psoas minor und dem M. Iliacus -sie agieren quasi Hand in Hand und werden deshalb oft als „M. Iliopsoas“ bezeichnet- einer der Hüftbeuger.

Durch den in der heutigen Zeit üblichen, sitzenden Alltag, adaptiert sich der Psoas, vielmehr die ihn umhüllenden Faszien (elastisches Bindegewebe) an die Stellung, in der er sich die meiste Zeit befindet; er bzw. die Faszien verkürzen sich und sind nicht mehr so beweglich/ geschmeidig wie sie sein sollten.

Gleichzeitig werden die Hüftstrecker, insbesondere die Gesäßmuskeln, schwächer. Die Faszien und die Muskelstränge verkleben miteinander, so dass  die Gleitfähigkeit/ Geschmeidigkeit dieser Strukturen sich verschlechtert. Das schränkt unsere alltägliche Beweglichkeit ein.

Gut sichtbar wird das bei dem Versuch, eine tiefe Kniebeuge zu machen. Am Anfang ist der Oberkörper noch aufgerichtet, ab einem gewissen Punkt, je nach „Verkürzungsgrad“ des Psoas/ der Faszien, muss sich der Oberkörper immer mehr nach vorne beugen; der Psoas zieht ihn quasi nach unten!

Ganz „nebenbei“ führt diese muskuläre Dysbalance oft zu Schmerzen im unteren Rücken („Hohlkreuz“). Wenn ich an die typische Rückenschule denke, „befürchte“ ich, dass dieser Zusammenhang  in der Behandlung von Rückenschmerzen oft übersehen wird 🙁 .

Und was hat das Ganze mit dir zu tun?

Dieses Thema tangiert uns Läufer mehr als du vielleicht denkst. Je größer deine Laufumfänge sind und je weniger Zeit du ins Kraft- und Beweglichkeitstraining investierst, desto wichtiger wird das für dich!

Beim Laufen wird die Streckerkette (Zehbeuger, Wadenmuskeln, Quadrizepse und Gesäßmuskeln) stark beansprucht. Zum einen in der Stützphase, in der sie exzentrische Arbeit verrichtet und zum anderen in der Abdruckphase. Die Hüftbeuger kontrahieren hingegen in der Flugphase, während das Spielbein nach vorne geschwungen wird („hohes Knie“).  Dabei befinden sie sich die meiste Zeit in einer verkürzten Position. Selbst in der Abdruckphase  ist die Hüftstreckung  bei vielen Läufern ungenügend. Bei manchen ist diese Schwäche so stark ausgeprägt, dass sie  beim Laufen quasi  „sitzen“. Bei ihnen fällt die fehlende Hüftstreckung besonders auf! Die Hüftbeuger  -und die Beweglichkeit- leiden darunter.

Für eine  gut  funktionierende Hüftstreckung brauchst   du starke Gesäßmuskeln und rückseitige Oberschenkelmuskulatur (ischiocrurale Gruppe). Kümmerst du dich nicht um diese Muskeln, verschlimmert das Laufen  zusätzlich diese ungünstige Tendenz.

Wie kannst du das Problem angehen?

Abhilfe schafft hier Mobilitätstraining für den Psoas sowie gleichzeitige Stärkung der Antagonisten, der Hüftstrecker. Neben den im folgenden Video vorgestellten Übungen

gibt es noch viele weitere geeignete „Kandidaten“.

Nach dem Motto „weniger ist mehr“ stelle ich dir nachfolgend drei passende Übungen vor:

  • Bulgarische Kniebeuge mit Fokus auf die exzentrische Phase. In der exzentrischen Phase dieser Übung befindet sich der Psoas in der Dehnung. Die Abwärtsbewegung sollte deshalb langsam ausgeführt werden. Der Bewegungsumfang sollte dabei peu à peu erweitert werden. Eine Progression erreichst du, indem du zwei Kettlebells oder Kurzhanteln dazu nimmst. Der koordinative Anspruch ist dabei relativ hoch.
    Bulgarische Kniebeuge
    Eine schöne Beschreibung einer statischen Variante dieser Übung und viele nützliche Informationen findest du im Beitrag „Rückenschmerzen selbst behandeln,: Die Hüftbeuger trainieren in Verlängerung“ von Jens Sprengel.
  • Kreuzheben. Dieser Klassiker trainiert den unteren Rücken, die Gesäßmuskeln und die rückseitige Oberschenkelmuskeln. Als Alternative zum Kreuzheben mit der Langhantel  bietet sich das rumänische Kreuzheben mit einer Kurzhantel oder Kettlebell an. Eine weitere Alternative stellen zwei  Kettlebells an einem Besenstiel (dieser eignet sich übrigens hervorragend für das Aufwärmen der Schulter) dar. Sie können bis zu einem gewissen Grad die Langhantel ersetzen 💡 . Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg 😉 .
    Kreuzheben mit Kettlebell1
    Kreuzheben mit Kettlebell2
  • Ausfallschritte.  Sie sind gerade für Läufer die Übung schlechthin.  Im Gegensatz zu den bulgarischen Kniebeugen befinden sich hier beide Füße auf dem Boden. Wer den Schwierigkeitsgrad erhöhen möchte, kann den vorderen Fuß auf einem niedrigen Kasten aufsetzen. Auch der Einsatz von Kettlebells oder Kurzhanteln erhöht den Schwierigkeitsgrad dieser Übung.
    Ausfallschritt mit Kettlebell1Ausfallschritt mit Kettlebell2

Der Klassiker sind auch Kniebeugen -Back Squats-, insbesondere Teilwiederholungen im unteren Drittel (hier wird überwiegend der Gluteus Maximus trainiert. Weiter oben kommen immer mehr die rückseitigen Oberschenkelmuskeln zum Einsatz). Da ich in meinem Home-Gym über keine Langhantel verfüge, sind Back Squats  nicht in meinem Übungsrepertoir 😳

Das Ziel deines  Mobilitäts- und Krafttrainings sollte ein wieder hergestelltes, muskuläres Gleichgewicht sein. Das erreichst zum einen mit dem exzentrischen Training des Psoas und zum anderen mit der Kräftigung seiner Gegenspieler. Infolge dessen wird sich (auch) deine Laufperformance verbessern. Noch wichtiger: Du wirst weniger verletzungsanfällig und beugst wirksam Rückenschmerzen vor!

Wer sich speziell in das Thema Psoas etwas tiefer einlesen möchte, dem empfehle ich das Buch „Psoas-Training von Jo Ann Staugaard-Jones“.

Zu den Übungen Kreuzheben und Back Squat  kann ich das Buch „Staring Strength – Einführung ins Langhanteltraining von Mark Rippetoe “ empfehlen. Auf rd. 350 Seiten werden nur 5 Übungen, darunter Kreuzheben und Back Squats, erklärt -dafür aber sehr ausführlich-.

Weitere, kurze und effektive Übungen für die zu kräftigenden Gegenspieler der Hüftbeuger stellt Jens Sprengel in seinem Buch „Rückenschmrzen selbst behandeln“ vor.

Dein Peter Buchmann

 

Fotos: Buchmann „Couchstretch“, „Bulgarische Kniebeuge“ „Kreuzheben mit Kettlebell1“, „Kreuzheben mit Kettlebell2“, „Ausfallschritt mit Kettlebell1″, Ausfallschritt mit Kettlebell2“

4 Gedanken zu „M. Psoas – „Ist er zu stark, bist du zu schwach““

  1. Hallo Peter,

    vielen Dank für den wirklich sehr guten Beitrag. Der ist Motivation genug, nun endlich meinen Psoas auf die Pelle zu rücken. Zumal ich dort noch eine Dysbalance links/rechts habe mit zunehmenden Problemen (Verklebungen) im IT-Band.

    Gruß Dieter

    1. Hallo Dieter,
      es freut mich sehr, dass ich dir mit meinem Beitrag „auf die Sprünge“ helfen konnte 🙂 . Bei links/rechts-Unterschieden trainiere die Seite, die dir mehr Probleme bereitet, doppelt so viel als die andere Seite. Es ist mühsam aber mit der Zeit wirst du den Unterschied immer weniger spüren (ich spreche aus Erfahrung 🙂 ). Der Schlüssel zum Erfolg liegt hier in der Regelmäßigkeit. Viel Erfolg!
      Viele Grüße, Peter

    1. Grundsätzlich sollten die Muskeln, die auf die Hüftgelenke einwirken, also auch der M.psoas, geschmeidig gehalten werden. Daher würde ich sagen, dass bestimmte Übungen auch bei künstlichen Hüftgelenken gemacht werden sollten -bei entsprechend angepasster Intensität. Beim Couchstretch wäre ich allerdings vorsichtig, dieser erscheint mir etwas zu extrem. Bitte beachte, dass ich kein Arzt bin und keinerlei Haftung übernehmen kann. Frage bitte diesbezüglich beim Arzt, einem Physio etc. deines Vertrauens nach. Ich wünsche dir auf jeden Fall ein gutes Gelingen.

      Viele Grüße
      Peter

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