Die (tiefe) Kniebeuge

Die tiefe Kniebeuge stellt eine der natürlichsten Bewegungen des Menschen dar. Sie dient hervorragend als Gradmesser für die Beurteilung der eigenen Beweglichkeit. Für mich ist sie DIE funktionelle Übung schlechthin!

„Wer Leistung optimieren sowie Schmerzen und Verletzungen vermeiden will, muss optimale Kniebeugen beherrschen“ (Kelly Starrett).

Eine saubere tiefe Kniebeuge stellt die meisten Erwachsenen vor große (Beweglichkeits-)Probleme. Sie zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:

  • das Gesäß befindet sich unterhalb der Knie
  • die Knie ragen nicht über die Fußspitzen hinaus. Die Schienbeine stehen möglichst senkrecht
  • die Füße (barfuß, d.h. ohne erhöhte Fersen) befinden sich in einem hüft- bis schulterbreiten Stand. Sie stehen parallel zueinander bzw. werden leicht nach außen gedreht
  • Die Knie zeigen in Richtung der Fußspitzen bzw. werden weiter nach außen „gedrückt“. Auf keinen Fall die Knie nach innen kippen (Valgusstellung)
  • der Rücken ist gerade.

Durch Bewegungsmangel und langes Sitzen verkürzen sich die Strukturen unseres Körpers, insbesondere die Muskeln. Sie passen sich der am meisten praktizierten Funktion, dem Sitzen, an (Form folgt Funktion). Die Faszien, das Bindegwebe, das nicht nur alle Skelettmuskeln umhüllt, verkleben oder verfilzen und machen uns zusätzlich unbeweglich.

Die Ursachen eines für eine saubere tiefe Kniebeue unzureichenden Bewegungsumfangs können vielfältig sein. Insbesondere kommen eine eingeschränkte Beweglichkeit in den Sprung- und Hüftgelenken, verkürzte Hüftbeuger und verhärtete Quadrizepse (vordere Oberschenkel) in Frage. Wie Du deine Beweglichkeit verbessern kannst, erfährst du z.B. hier.

Die Beweglichkeitseinschränkungen sollten dich nicht davon abhalten, die (tiefe) Kniebeuge in deinem Trainingsprogramm dauerhaft zu etablieren. Wenn du ohne Zusatzgewichte trainierst und auf die Ausführungsqualität achtest, sind auch Kniebeugen, bei denen deine Oberschenkel in etwa parallel zum Boden stehen, ebenfalls sehr effektiv. Das Verletzungsrisiko im Hinblick auf die Knie und den Rücken, zum Beispiel wenn dein Rücken nicht gerade ist, ist in dem Fall überschaubar. Natürlich solltest du an deiner Beweglichkeit arbeiten und die Qualität deiner Kniebeugen kontinuierlich verbessern.

Welche Arten der Kniebeuge gibt es?

Die einfachste und aus meiner Sicht natürlichste Kniebeuge ist eine Kniebeuge ohne Zusatzgewicht. Im CrossFit® wird sie „Air Squat“ genannt. Diese kannst du auch als Summo-Kniebeuge (im breiteren Stand) oder gesprungen, als eine dynamische (plyometrische) Squat-Art, ausführen. Mit den Air Squats lässt sich die Kraftausdauer gut trainieren, weil viele und auch schnelle Wiederholungen möglich sind. Für das Maximalkrafttraining ist sie jedoch ungeeignet.

Kniebeugen mit Zusatzgewichten eignen sich hingegen gut, um die Maximalkraft zu trainieren. Als Zusatzgewichte kommen Lang- und Kurzhanteln, Kettlebells, Sandbags, beschwerte Rucksäcke und evtl. weitere Gegenstände, die sich gut halten/ greifen lassen, in Betracht.

Auch einbeinige Kniebeugen, die sogenannten Pistols, sind für das Maximalkrafttraining sehr gut geeignet. Sie stellen jedoch sehr hohe Anforderungen an die Beweglichkeit, Koordination und auch Kraft! Da bei einer schlechten Ausführungsqualität eine erhöhte Verletzungsgefahr besteht, empfehle ich dir, dich nur langsam an die Pistol heranzutasten.

Eine weitere Möglichkeit stellt die bulgarische Kniebeuge dar. Sie ist koordinativ ebenfalls anspruchsvoll und kann als eine vorbereitende Übung für die Pistol dienen.

Bulgarische Kniebeuge
Bulgarische Kniebeuge

 

Die besten Progressionsmöglichkeiten

und das weiteste Einsatzspektrum bei beidbeinigen Kniebeugen bietet die Langhantel. Zum einen kann bei der Langhantel das Gewicht gut dosiert werden und zum anderen lassen sich mit ihr verschiedene Arten von Kniebeugen durchführen. Das sind im Wesentlichen der Front-Squat, der Back-Squat und der Overhead-Squat. Diese Squat-Varianten stellen hohe Anforderungen an die Beweglichkeit und erfordern zudem eine saubere Technik. Bei falscher Ausführung steigt das Verletzungsrisiko. Nebenbei muss dir eine Langhantel (nebst Hantelscheiben) zur Verfügung stehen. In einem Home-GYM, wie das bei mir der Fall ist, ist es eher schwierig.

Wer sich mit den vorgenannten Squat-Varianten detaillierter beschäftigen möchte, findet in den am Ende des Artikels genannten zwei Büchern* sehr viele, nützliche Informationen.

Als Alternative für ein Training in den eigenen vier Wänden eignen sich die Kettlebells gut. Bis auf den Back-Squat kannst du alle oben genannten Squat-Varianten auch mit den Kettlebells durchführen. Das maximale Gewicht wird zwar deutlich schneller erreicht als bei einer Langhantel. Für den „typischen“, auch durchaus ambitionierten Ausdauerathleten/ Läufer dürften die Kettlebells jedoch lange Zeit ausreichen.

Front Squat (Kettlebells)
Front Squat mit Kettlebells

Welche Muskelgruppen trainierst du mit den Kniebeugen?

In erster Linie müssen bei einer Kniebeuge die Quadrizepse, also die großen Muskeln deiner vorderen Oberschenkel, arbeiten. Sie kommen bei der Streckung der Knie, der konzentrischen Phase der Kniebeuge, zum Einsatz. Synergistisch arbeitet dabei die gesamte Streckerkette, also zusätzlich die Wadenmuskeln, die Gesäßmuskeln, der M. biceps femoris (Teil der ischiocruralen Muskulatur) und die Adduktoren. In der exzentrischen Phase erfährt auch „der Rest“ der ischiocruralen Gruppe, deiner rückseitigen Oberschenkelmuskulatur, einen Trainingsreiz.

Mit Zusatzgewichten wird darüber hinaus auch die Oberkörpermuskulatur trainiert. Du siehst also, dass eine Kniebeuge eine ganze Menge deiner Muskeln beschäftigen kann.

Kniebeugen und Laufen passen gut zusammen

Indem du Kniebeugen machst, kräftigst du die Muskeln, die du auch beim Laufen benötigst. Bei einem Air Squat werden die Achillessehnen und die Wadenmuskeln deutlich weniger beansprucht als beim Laufen auf dem Vor- oder Mittelfuß. So kannst Du bei leichten Beschwerden an der Achillessehne und/ oder leichtem Muskelkater in den Waden immer noch Kniebeugen machen. Du kannst z.B. ein Tabata bestehend nur aus Air Squats durchführen. Auch in Kombination mit anderen Übungen kannst du ein effektives Kraftausdauer-Workout absolvieren und dabei die laufspezifische Muskulatur trainieren 😀 .

Zusammenfassung:

  • die tiefe Kniebeuge ist eine der natürlichsten, funktionellen Übungen
  • für eine technisch saubere tiefe Kniebeuge ist eine gute Beweglichkeit im Sprung, Knie- und Hüftgelenk erforderlich
  • der für eine tiefe Kniebeuge unzureichende Bewegungsumfang ist auf einen Bewegungsmangel und überwiegend sitzende Tätigkeiten zurückzuführen. Daran lässt sich arbeiten 😉
  • Kniebeugen ohne Zusatzgewicht (Air Squat) eignen sich gut für das Kraftausdauertraining. Um die Maximalkraft zu trainieren, bieten sich Kniebeugen mit Zusatzgewichten, z.B. Langhanteln oder Kettlebells, an
  • mit Kniebeugen werden die Bein-, Hüft- und Gesäßmuskeln effektiv trainiert. Diese Muskeln benötigst du auch beim Laufen
  • Kniebeugen mit Zusatzgewichten beziehen zusätzlich die Oberkörpermuskulatur mit ein
  • Air Squats stellen eine gute Alternative zum Laufen dar, insbesondere bei leichten „Problemen“ mit der Achillessehne und/ oder den Waden.

Ich hoffe, ich konnte dich von dem Mehrwert, den Kniebeugen uns Läufern -und auch Nichtläufern- bieten, überzeugen. Wenn nicht,  gibt es für dich bestimmt Gründe dafür. Wenn du magst, teile uns diese mit.

Gehören Kniebeugen bereits zu deinem Repertoire, würde mich interessieren, wie oft du sie in dein Trainingsprogramm einbaust und welche Art der Kniebeuge dein Favorit ist. Über Kommentare freue ich mich.

Dein Peter Buchmann

* „Starting Strengh – Einführung ins Langhanteltraining“ von Mark Rippetoe, 1. Auflage 2015, riva Verlag und

Werde ein geschmeidiger Leopard -Die sportliche Leistung verbessern, Verletzungen vermeiden und Schmerzen Lindern“ von Kelly Starrett mit Glen Cordoza, 1. Auflage 2014, riva Verlag.

 

Fotos: Buchmann privat, „Air Squat“, „Bulgarische Kniebeuge“, „Front Squat (Kettlebells)

2 Gedanken zu „Die (tiefe) Kniebeuge“

  1. Ich bin der Meinung dass Kniebeugen in jedes gute Beintraining reingehören:) eine unglaublich schöne Mehrgelenksübung welche richtig ausgeführt optimal für die Rumpfstabilität ist:)

    Guter Artikel! Mach weiter so:)

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