Nur die Leistung zählt (?)
Unsere heutige Leistungsgesellschaft spiegelt sich nicht nur in der Wirtschaft, die durch Gewinnmaximierung, Prozessoptimierung etc. gekennzeichnet ist, wider, sondern auch im Sport. Es zählen nur neue Rekorde, ganz nach dem Motto „schneller, höher, weiter“. Die Aufmerksamkeit der Medien gilt meistens nur dem Ersten. Der Zweite ist bereits der erste Verlierer. Dieser wird eventuell noch erwähnt. Für den Dritten interessiert sich aber keiner mehr. Wenn die Athleten des Dopings überführt werden, ist die Aufregung groß. Ich verurteile Doping, sehe aber ganz klar die Zusammenhänge. Wer als Profisportler auf Siegprämien, Sponsorengelder etc. angewiesen ist, muss eben schneller, höher, weiter..; „wir“ wollen es ja nicht anders 🙁 .
Auch wir, ambitionierte Wettkampfläufer, die wir alle Freizeitsportler sind, schielen immer nur auf neue Bestzeiten. In jedem Wettkampf wird alles gegeben. Laufen wir einmal 10 Sekunden langsamer als beim letzten Mal oder aber als geplant, sind wir unzufrieden und suchen nach Gründen für „unser Scheitern“. Meistens finden wir auch welche, egal ob objektiver oder subjektiver Natur. Es besteht latent immer ein Rechtfertigungszwang; Leistungsgesellschaft eben.
Damit wir uns richtig verstehen: Im Wettkampf alles zu geben, ist legitim und ich finde es grundsätzlich auch in Ordnung. Im Wettkampf zeigt sich letztlich, ob das Training wirkt und ob wir damit unsere Ziele erreichen können; selbstverständlich ohne Doping 😛 . Ohne wettkampfspezifische Ziele leidet die Motivation im Training eher als bei entsprechender Zielsetzung. Andererseits setzen wir uns damit nicht selten ziemlich stark unter Druck. Dieser Druck kann zusätzlichen Stress erzeugen, und davon haben wir alleine durch das Training schon genug. Der Spaß am Laufen, der natürlichsten Bewegung des Menschen, kann dabei verloren gehen. Soweit sollten wir es um keine Bestzeit der Welt kommen lassen. Da lohnt es sich, die Ziele gegebenenfalls neu zu justieren.
Es geht auch anders
Dieser Aspekt wurde mir neulich bewusst. Ich hatte mich schon lange vor dem Hamburg-Marathon für den BIG 25-Berlin angemeldet. Berlin ist immer eine Reise wert und vier Wochen nach dem Marathon einen 25km-Wettkampf zu bestreiten, dürfte kein Problem sein; …eigentlich 😉 .
Durch eine leichte Erkältung, die mich eine Woche nach dem Marathon erwischte, habe ich zwei Wochen nicht trainieren können (und wollen). Gerade nach einem Marathon ist eine längere Regenerationsphase nicht verkehrt, insbesondere wenn der Körper einen dazu „zwingt“. Ich gönnte mir also die Trainingspause und genoss sie sogar 😀 . Als ich dann wieder einen lockeren 6 km-Dauerlauf „riskierte“, meldete sich völlig unerwartet (eigentlich ist es immer unerwartet) meine linke Ferse, an der ich seit Oktober 2015 mehr oder weniger starke Schmerzen habe (Fersensporn 🙁 ), wieder. Ich kenne die Ursachen dafür. Auf diese hier einzugehen, würde jedoch den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Dazu vielleicht in einem späteren Beitrag mehr. Als der Fersenschmerz nach dem zweiten Trainingslauf, vier Tage vor dem BIG 25-Rennen, noch stärker wurde, war ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt an den Start gehen kann bzw. sollte; Nun, ich riskierte es.
Aufgrund der etwas längeren Trainingspause und der Schmerzen unter der Ferse beschloss ich, den Wettkampf nicht als solchen zu sehen, sondern diesen Lauf einmal zu genießen. Das habe ich schon lange nicht mehr gemacht. Ich ging also an den Start ohne jegliche Zeitvorgaben, meine GPS-Uhr blieb gleich zuhause. Ich wollte nur einigermaßen schmerzfrei durchkommen und mir dabei Berlin von der Straße aus anschauen; wann hat man schon die Gelegenheit dazu. Dieser Lauf ist übrigens für Sightseeing bestens geeignet.
Trotz der -noch erträglichen- Schmerzen konnte ich während des Laufs tatsächlich immer wieder nach „links und rechts“ schauen und fühlte mich einfach frei. Der sonst obligatorische Blick zur Uhr blieb aus. Ich lief relativ entspannt nach Gefühl und freute mich, dass ich mit so vielen Gleichgesinnten einfach nur lief. Ich genoss es größtenteils. Der Zieleinlauf im Olympiastadion war grandios und sorgte für Gänsehaut. Auch wenn es trotzdem kein Spaziergang war und ich im Ziel meine Beine spürte, war es deutlich entspannter als die meisten Wettkämpfe der letzten Jahre. Eigentlich sollte man sich solche Wettkämpfe öfter gönnen, nicht nur wenn man dazu quasi „gezwungen“ wird.
Solltest auch du zu dem (ambitionierten) Typ Läufer gehören, der in jedem Wettkampf alles gibt, empfehle ich dir wärmstens, es auch einmal auszuprobieren. Suche dir dafür am besten eine schöne Strecke aus, zum Beispiel eine Großstadt oder einen landschaftlich ansprechenden Kurs. Lass die Uhr zuhause und laufe ganz nach Gefühl, ohne dabei alles zu geben. Du wirst sehen, ein Wettkampf kann auch richtig Spaß machen 😉 .
Dein Peter Buchmann
Foto: Pixelio.de, © Albrecht E. Arnold, “Im leichten Trab”