Über die Vorzüge eines guten Trainingsplans habe ich bereits einen Beitrag geschrieben. Ein guter Plan macht dir das Trainieren leichter. Du musst nicht immer wieder überlegen was zu tun ist. Auch Trainingstagebücher haben ihre Vorteile. Wer sich notiert was, wie und wie viel er trainiert hat, kann später überprüfen und feststellen, was wie gut funktioniert hat. Und dennoch haben diese Tools ihre Schwächen, zumindest für meinen Geschmack.
Zunehmender Druck
Mir ist Ende 2017 relativ spontan klar geworden, dass ICH ein wenig Sklave meiner Aufzeichnungen, meines Trainingstagebuchs bin. Einen echten Trainingsplan verfolge ich seit der Vorbereitung auf den Hannover-Marathon nicht mehr. Meine täglichen Routinen, z.B. die Anzahl der Klimmzüge, die Hanging-Sessions, meine Workouts, die Laufkilometer (so viele waren es seit der Knie-OP nicht mehr 🙁 ), das Allgemeinbefinden, einmal wöchentlich den Ruhepuls und das Körpergewicht sowie ab und zu den Körperfettanteil halte ich jedoch in einer Excel-Tabelle fest. Es macht ein gutes Gefühl, am Ende des Tages das vollbrachte Werk „zu Papier“ zu bringen. Auch für meine Blog-Artikel lassen sich diese Informationen gut nutzen. Da profitierte ich eindeutig davon. Andererseits limitiert es mich manchmal, oder aber es setzt mich subtil unter Druck; zuletzt immer mehr.
Wie meine ich das?
Mit etwas Erfahrung lässt sich autoreguliert, abhängig von der Tagesform, gut trainieren. Ich weiß was ich für ein effektives Workout benötige und kann meine Tagesform -meistens- gut einschätzen. Ich könnte entspannt autoreguliert trainieren; ABER:
Manchmal würde ich gerne spontan einen oder ein paar Klimmzüge, Liegestütze etc. mehr machen. Da fällt mir mein Trainingstagebuch ein und ich denke an die Progression in meinem Training, an mein letztes Workout. Das führt dazu, dass ich die Klimmzüge, Liegestütze etc. nicht mache. Ein anderes Mal fange ich mit dem Training an und merke, dass ich eigentlich weniger Lust auf „fünf Sätze á X Wiederholungen von Übung Y“ habe. Letzte Woche habe ich aber vier Sätze davon gemacht, das steht zumindest so im Trainingstagebuch (oder Trainingsplan). Also mache ich die fünf Sätze, denn ich fühle mich an sich gut und denke, es ist nur der innere Schweinehund, der sich ganz leise zur Wort meldet.
Mit diesem Beispiel will ich dir (und mir) klar machen, dass ich mich durch das Trainingstagebuch und, wenn ich nach einem Trainingsplan trainiere, zusätzlich durch den Trainingsplan, limitiert fühle; sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Ich habe verstärkt das Gefühl, dass dies meine Trainingsfortschritte negativ beeinflusst.
Ein befreiendes Gefühl
Es fühlte sich regelrecht befreiend an, als ich Ende 2017 beschloss, ab dem 01.01.2018 für ein ganzes Jahr auf mein seit Jahren geführtes Trainingstagebuch zu verzichten und ohne jeglichen Trainingsplan, autoreguliert zu trainieren. Meine Messgeräte, auch die GPS-Uhr, bleiben das ganze Jahr 2018 „unter Verschluss“. Nur noch einige wenige Daten, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Heilfasten, werde ich mir noch „gönnen“.
Ist das nur mein persönliches Problem? Ich denke nicht. Zum einen weiß ich, dass auch einige „meiner Spiridonis“ ab und zu unter dem Regime des Trainingsplans zu leiden haben. Zum anderen glaube ich, dass sich sehr viele Sportler in unserer stark kopflastigen Gesellschaft an solchen starr vorgegebenen Leitplanken orientieren und dass bei Ihnen die Spontaneität, das Gefühl für den eigenen Körper, nur suboptimal ausgeprägt sind.
Sind Trainingspläne und Trainingstagebücher überflüssig oder sogar kontraproduktiv? Nein, ganz und gar nicht. Der Mehrwert, den diese Tools bieten, ist definitiv vorhanden und für die meisten sind die daraus resultierenden Vorteile groß. Nur manchmal, bei dem einen oder anderen, zur Zeit bei MIR, ist es eben nicht so.
Wie gehst du mit dem Thema Trainingsplan / Trainingstagebuch um? Stresst du dich deswegen auch manchmal mehr als dir lieb wäre oder siehst du es locker, weil du damit bisher ganz gut fährst? Über deinen Kommentar freue ich mich.
Dein Peter Buchmann
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Hallo Peter,
anfangs, das liegt schon viele Jahre zurück, habe ich einen Trainer gehabt, der mir mehr oder weniger die Vorgaben „vorgekaut“ hat. Das war sicher auch hilfreich wenn man gar keine bis wenig Erfahrung hat. Excel ist ein schönes Tool. Damit habe ich später Makro- und Mikrozyklen des Trainings ausführlich dokumentiert. Später habe ich das eingegrenzt auf das für mich wirklich Wesentliche. So empfand ich das zumindest. Seit Jahren schreibe ich nichts mehr auf, gebe mir auch keine konkreten Vorgaben mehr. Lediglich bei Tempo- bzw. Intervall-Läufen auf der Bahn gibts eine Uhr, Ziele bzw. Vorgaben. Das dient aber primär der Formüberprüfung in Hinblick auf die Tempohärte wenn es in Richtung Wettkämpfe gehen soll. Mein Blick zurück auf die notierten Trainingspläne: am wertvollsten sind hier die aufgeschriebenen persönlichen Stimmungen sowie das körperlich subjektive Gefühl, direkt in Worte gefasst. Was tat mir gut, was habe ich wie verkraftet, wie hat das Training mental oder physisch gewirkt, das sind essentielle Infos für eine langfristige Planung.
Mit wachsender Erfahrung kommt eine Sicherheit ins tägliche Training. In der Tendenz mag ich sowieso keine so engen Grenzen. Ich mag mehr Freiheit, Flexibilität und dazu gehört auch mal spotan zu sein. Einfach mal eine Einheit fallen lassen wenn es nicht läuft. Inwzischen kann ich auch ohne Probleme zwei oder drei Tage mal die Laufschuhe ruhen lassen. Da plagt kein schlechtes Gewissen, da drückt kein Eintrag „du musst heute 15 KM in 3:30 Min/Km laufen…
Im Jahr kommen so kaum noch Tage zusammen an denen ich in ein Training gehe mit einem Gefühl von müde sein, lustlos, Überwindung etc. Ich habe nach vielen Jahren noch immer so richtig Spaß beim Sport.
Meine Wettkämpfe sind ein Spiegelbild der doch lockeren Einstellung zum Sport. Immer, wenn ich gute Zeiten lief, habe ich eher spontan und kurzfristig, auf einem guten Gefühl heraus, die besten Zeiten gelaufen.
Da fällt mir noch ein…früher hab ich oft mit einem Pulstrainier trainiert. Das habe ich wieder abgelegt. Mein täglich aktuelles körperliches Gefühl war und ist mir wichtiger. Danach steuer ich mein Trainng in Umfang und Intensität. Alles andere würde mich erdrücken oder mir den Spass nehmen.
LG
Dieter
Hallo Dieter,
ganz toller Kommentar, herzlichen Dank dafür. Du „sprichst“ (schreibst) mir aus der Seele. Ich merke auch, wie ich in dem Beitrag auch schon schrieb, dass mir diese Art Training gut tut. Vielleicht musste ich mir erst einmal mein Knie vernacksen, um zu dieser Einsicht zu gelangen 🙂 .
Heute war für mich wieder ein schönes Beispiel für Spontaneität in Verbindung mit einem autoregulierten Training. Ich hatte heute morgen keine Lust auf Sport/ Mobility oder irgendetwas, obwohl ich am Wochenende wegen eines Seminars nicht viel körperlich aktiv war. Ich wollte eigentlich morgen früh wieder etwas Krafttraining etc. machen. Heute abend, nach der Arbeit, wollte ich mich nur etwas bewegen/ mobilisieren. Wie aus dem Nichts entschied ich aber plötzlich, ein Workout durchzuziehen: Pull ups, Ring-Dips, bulgarische Kniebeugen und L-Sit. Zum Abschluss noch Wadenstretch auf der Treppe. Ich fühlte mich dabei unheimlich motiviert und gut :-). Das ist es, kein Druck oder Stress, einfach Mal fließen lassen und seinem Gefühl mehr vertrauen. Da bin ich nocht nicht am Ziel, ich arbeite noch dran.
Aber klar, am Anfang sind feste Vorgaben schon ganz nützlich. Ein Trainer will zudem sichergehen, dass sein Schützling ordentlich (Progression etc.) trainiert :-).
Viele Grüße
Peter