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Sitzen ist das neue Rauchen und Stehen ist das neue Sitzen – sind wir noch zu retten?

Wir, die sogenannten zivilisierten Menschen, entfernen uns immer mehr und schneller von unseren Vorfahren, den  Jägern und Sammlern, also von einer Lebensweise, die noch zu 99,5 % in unseren Genen gespeichert ist. Das fängt bei der Ernährung an, zieht sich durch unseren hektischen, stressvollen Alltag durch und hört beim Thema Bewegung (bzw. Bewegungsmangel) und Beweglichkeit auf.

Insbesondere die sogenannten Bürohängste, die den Großteil ihrer Arbeitszeit an einen Schreibtisch gefesselt sind, haben nur die Wahl zwischen der Pest (Sitzen) und der Cholera (Stehen). Unsere Kinder haben, sobald sie eingeschult werden, noch nicht einmal diese Wahl; sie bekommen, ob sie wollen oder nicht, die Pest 😥 .

Es spricht sich immer mehr herum, dass Sitzen das neue Rauchen ist. Es gibt  mittlerweile auch Bücher darüber, unter anderem das Buch mit diesem Titel von Kelly Starrett. Ich habe dieses Buch noch nicht gelesen, kenne die „Lehren“ von Kelly Starrett jedoch aus anderen Büchern.

Wer in seinem Leben viel sitzt, bekommt mit der Zeit diverse Probleme, zum Beispiel Rückenschmerzen. Nicht umsonst gehören Rückenschmerzen, insbesondere im unteren Rücken (Lendenwirbelsäule), zu den sogenannten Volkskrankheiten. Nicht selten resultieren daraus Bandscheibenvorfälle mit unangenhmen Konsequenzen. Die Betroffenen werden dabei immer jünger. Ist das der Preis, den unsere moderne Gesellschaft, in der wir uns immer weniger anstrengen müssen, weil uns fast alles an Belastungen peu á peu abgenommen wird, zahlen muss?

Also dann lieber Stehen? Wer das Sitzen gegen das Stehen austauscht, kommt leider vom Regen in die Traufe, denn…

…das Stehen ist keine Lösung.

Dies dürfte für dich  neu sein. Ich selbst wurde mit dieser Aussage erst vor einem halben Jahr beim Lesen des Buchs „Bewegung liegt in deiner DNA“ von Katy Bowman  konfrontiert. Sie schreibt unter anderem:

„…wenn du dann 15 Jahre lang im Büro stehst, bekommst du wahrscheinlich genauso viele Probleme wie der Kollege, der den ganzen Tag gesessen hat.“

Nach der Lektüre dieses Buchs wurde mir klar, dass ich das Sitzen nicht gegen das Stehen austauschen kann. Seitdem ich bei der Arbeit einen höhenverstellbaren Schreibtisch habe, haben sich meine Probleme nur verlagert, und zwar von den Hüftbeugern in Richtung Knie. Voller Freude über den neuen Schreibtisch habe ich anfangs etwas übertrieben mit dem Stehen. Ich war froh, endlich nicht mehr so viel sitzen zu müssen, also stand ich  2/3 des Arbeitstages an meinem Schreibtisch. Meine Hüftbeweglichkeit, insbesondere die Hüftstreckung, ließ viel zu wünschen übrig. Sie hat sich seitdem verbessert, wenngleich sie noch lange nicht  gut ist. Dafür waren meine Quadrizepse nach langen Arbeitstagen oft verhärtet. Das wirkte sich entsprechend negativ auf meine Knie aus. Ob das zu dem Problem mit dem Innenmeniskus in meinem linken Knie beitrug, weiß ich nicht, ausschließen kann ich es aber nicht.

Was ist die Lösung des Problems?

„Mach Sport, bewege dich mehr“. Das hört man immer wieder, wenn es um Prophylaxe geht; nicht nur vor Rückenschmerzen. Viele interpretieren diese Aufforderung so, dass sie nur noch laufen, Radfahren oder schwimmen, also die klassischen Ausdauersportarten betreiben. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn es um die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems geht. Du tust damit schon viel für deine Gesundheit; nur, vor Rückenschmerzen etc. schützt dich das nicht.

Dafür musst du dich nicht nur mehr, sondern auch anders bewegen. Du solltest deine Gelenke in deutlich größeren Radien bewegen als das beim Laufen, Radfahren oder Schwimmen der Fall ist. Dazu gehören auch der Fersensitz oder die tiefe Hocke (Vorsicht bei Knieproblemen!). Dazu gehören geschmeidige Strukturen, also Faszien, Muskeln, Bänder, Sehnen, Gelenke. Das bedeutet letztlich: Beweglichkeitsarbeit, TÄGLICH!

Es ist ein langer Prozess, und sichtbare Erfolge können unter Umständen lange auf sich warten lassen. Deine Bewegungskompetenz steigt trotzdem kontinuerlich an. Kommt eine Verletzung dazwischen, wirst du zurückgeworfen, es dauert dann noch etwas länger bis du am Ziel bist. Ja, aber wo ist denn das Ziel? Es geht immer noch etwas geschmeidiger, etwas besser. Deshalb gilt auch hier der Spruch „der Weg ist das Ziel“. Es geht in erster Linie um Prävention, es geht darum, der schädlichen Auswirkung des langen Sitzens UND des langen Stehens entgegenzuwirken. Alles an Beweglichkeitsarbeit ist besser als nichts zu tun und darauf zu warten bis die Rückenschmerzen, Bandscheibenvorfälle, Arthrosen oder was auch immer kommen.

Für mich bedeutet ein Teil der Lösung,…

…das Verhältnis zwischen dem Sitzen und dem Stehen im Büro bei ca. 50/50 zu halten. Eine Stunde stehen, eine Stunde sitzen, eine halbe Stunde stehen, eine halbe Stunde sitzen usw. Dazwischen streue ich immer wieder kurze Gehpausen ein (Toilette, Tee holen, einen anderen Drucker ansteuern 😉 ) und drehe immer in der Mittagspause „eine Runde um den Block“.

Ansonsten gehört die Beweglichkeitsarbeit für mich zur täglichen Körperpflege. Auch, wenn ich  nach meiner Knie-OP* an meinen Baustellen, den Adduktoren und den Hüftbeugern,  nicht weiter arbeiten konnte, kümmerte ich mich um andere Bereiche. Irgendwas geht immer 💡

* Der Versuch, den Innenmeniskusriss konservativ zu behandeln, scheiterte nach sieben Wochen. Vor  6 Wochen ließ ich mich am Knie operieren (etwas mehr dazu kannst du bei Interesse im Update zu dem verlinkten Artikel  lesen). Ich bin zuversichtlich, bald wieder voll belastbar zu sein und freue mich auf die weiteren (Beweglichkeits-)Herausforderungen, die da kommen mögen.

Dein Peter Buchmann

 

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