„Flow“ ist nicht gleich „Runner´s High“

Im „Flow“ zu sein, ist ein erstrebenswerter Zustand, den viele auch im Sport erreichen können. Dieses Gefühl zu definieren, ist nicht ganz einfach. Ich versuche es am eigenen Beispiel.

Neulich lief ich 15 km extensiv. Es war Sonntagmorgen, das Wetter war schön und ich freute mich auf den Tag. Auf dem Rückweg, gut vier Kilometer vor dem zuhause, sah ich am Wegesrand eine Herde Rehe, die versuchte, den Weg zu kreuzen. Eines der Rehe schaffte es nicht, denn ich kam schon herangelaufen. Das Reh lief ein Stück zurück, allerdings in meine Laufrichtung.

Normalerweise wäre ich weitergelaufen, denn das Reh ist deutlich schneller als ich und es hätte früher oder später „gefahrlos“ den weg überqueren und zur Herde aufschließen können. An diesem Morgen blieb ich aber stehen bzw. lief sogar ein Stück rückwärts (übrigens eine schöne Lauf-ABC Übung, die die Waden stärkt und damit fit für einen dynamischen Laufstil wie den Mittelfuß- oder den Vorfußlauf macht). So konnte das letzte Reh relativ schnell rüberlaufen und die Herde lief weiter ihres Weges. Auch ich lief dann weiter, hatte aber plötzlich ein Hochgefühl, das mich noch einige Zeit lang begleitete. Der weitere Lauf fühlte sich einfach sehr leicht an. Das verbinde ich mit dem Begriff „Flow“.

Das Runner´s High, das viele Läufer für etwas Gutes halten -unter anderem auch der Ultraläufer Scott Jurek

„Wenn Sie Sportler sind, dann haben Sie diesen Zustand mit viel Glück schon einmal erlebt.“ (Scott Jurek in „Eat & Run“)-

tritt hingegen oftmals bei sehr starken Belastungen auf. Der Marathon oder aber auch ein langer Trainingslauf können dafür schon reichen (müssen aber nicht!). Ich habe ein Runner´s High bewusst noch nie erlebt; und es ist auch gut so.

Runner´s High bedeutet Raub am eigenen Körper!

Ein Marathon bzw. auch schon ein langer Dauerlauf bedeutet für den Körper Stress. Du befindest dich, evolutiv betrachtet, in einer „Fight or Flight“-Situation (eher flight 🙂 ). Deine Nebennieren schütten Stresshormone aus, zuerst Adrenalin und Noradrenalin (Katecholamine). Diese stimulieren u.a. die Glykolyse, also die Energiegewinnung aus Glucose (aus den Glykogenspeichern in deinen Muskeln). Später wird dann das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet. Dieses Hormon macht dich hellwach und erhöht deine Ausdauer.

Gleichzeitig setzt dein Gehirn Endorphine frei. Endorphine sind eigentlich  Glückshormone. In Stresssituationen und bei Extrembelastungen sorgen sie jedoch dafür, dass dein Schmerzempfinden nachlässt. Dein Körper kann so mit der Extremsituation besser fertig werden. Die Endorphine alleine dürften das Runner´s High nicht auslösen, denn diese sind in solchen Situationen „Schmerzstiller und keine Wohlfühler“ (siehe „Laufen“ von Lutz Aderhold und Stefan Weigelt).

Wird eine gewisse Schmerzgrenze überschritten, schüttet dein Körper weitere körpereigene Substanzen, die Endocannabinoide aus. Diese wirken im Gehirn, ähnlich wie Drogen und verursachen -evtl. zusammen mit den Endorphinen- das Runner´s High. Deshalb werden einige Läufer regelrecht süchtig nach diesem Zustand. Sie suchen immer wieder diesen Kick.

„Das würde erklären, warum es unter Ultraläufern so viele ehemalige Drogenabhängige zu geben scheint“ (Scott Jurek in „Eat & Run“).

Werden die Schmerzgrenzen über einen längeren Zeitraum immer wieder überschritten, kann die Endorphinproduktion stark nachlassen. Der Endorphinspiegel befindet sich dann ggf. dauerhaft auf einem niedrigen Niveau. Schaue dich im Zieleinlauf eines Marathons um und beobachte die Gesichter der Finisher. Nicht alle sehen happy aus; und das liegt nicht nur an den Strapazen des Wettkampfs. Es dürfte in vielen Fällen an der bereits mangelnden Produktion der Endorphine liegen. Das ist schade. Julia Ross schreibt in ihrem Buch „Was die Seele essen will“:

„Ein Runner´s High setzt normalerweise erst ein, nachdem die Schmerzgrenze überschritten wurde, die eignetlich das Signal sein soll, nicht weiter zu laufen.“

Solange du dich beim und nach dem Laufen gut fühlst und insbesondere auch deine Wettkampfleistungen genießen kannst, besteht kein Grund zur Sorge. Solltest du dich allerdings über deine Leistungen nicht mehr so richtig freuen können,  wäre ein erniedrigter Endorphinspiegel ein möglicher Grund dafür.  Ich empfehle dir dann, über dein Training nachzudenken (ggf. zu viel des Guten?). Um die Endorphinbildung wieder anzukurbeln, empfiehlt Julia Ross in ihrem oben genannten Buch die sogenannte „Gute-Laune-Nahrung“. Diese besteht im Wesentlichen aus viel Eiweiß (die Endorphine setzen sich aus mindestens 15 Aminosäuren, d.h. „Eiweißbausteinen“, zusammen), „viel frisches Gemüse und gute Fette“. Die Fette sind dabei meistens in den eiweißhaltigen Nahrungsmitteln, wie Fisch, Fleisch, Eier, enthalten.

Wie stehst du zum Thema „Runner´s High“? Hast du ggf. bereits Erfahrungen mit diesem „Hochgefühl“ gemacht und traust dich, diese mit uns hier zu teilen? Über deinen Kommentar freue ich mich.

Dein Peter Buchmann

 

Foto: Pixelio.de, © Rike, “Der Läufer”.

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