Bücher-Adventskalender 2017, 15. Türchen, Antifragilität

ANTIFRAGILITÄT von Nassim Nicholas Taleb,
4. Auflage, Taschenbuchausgabe 2014, btb Verlag, München (686 Seiten), ISBN 978-3-442-74469-5

Kategorie: Sonstiges

Eins kann ich vorwegnehmen: Es ist eins der interessantesten Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Wenn dir die Buchtitel „Der Schwarze Schwan“ oder „Narren des Zufalls“ etwas sagen, kannst du es sicherlich nachvollziehen.

Antifragilität, dieses Buch, war der Auslöser für meinen zweiteiligen Beitrag „Antifragilität, Hormesis, Superkompensation – mit Heuristiken und Via Negativa das Optimum erreichen„. Dort schreibe ich bereits was Antifragilität ist, und zwar:

Antifragilität ist das Gegenteil von Fragilität… Es ist mehr als Resilienz oder Robustheit. Das Resiliente, das Widerstandsfähige widersteht Schocks und bleibt sich gleich; das Antifragile wird besser. …Das Antifragile steht Zufälligkeit und Ungewissheit positiv gegenüber, und das beinhaltet auch – was entscheidend ist – die Vorliebe für eine bestimmte Art von Irrtümern. … Wir sind im Großen und Ganzen besser, wenn wir handeln, als wenn wir denken, und das verdanken wir der Antifragilität.“

Unter dem Aspekt der Fragilität oder eben Antifragilität erscheinen viele Bereiche des Lebens in einem ganz anderen Licht als sie üblicherweise wahrgenommen werden. Während die Superkompensation nach nach einem (leicht) überschwelligen Sporttraining als eine Form der Antifragilität noch einleuchtend sein dürfte, erschließt sich der Zusammenhang zwischen dem Nachrichtenkonsum und der Fragilität nicht unbedingt ohne Weiteres. Dafür muss man verstehen, dass Stressoren gleichzusetzen sind mit Informationen. Viele Informationen bedeuten also viel Stress und viel Stress ist bekanntermaßen schädlich (macht fragil).  Auf das obige Beispiel mit dem Sport übertragen wäre das der Zustand des Übertrainings.

Das Buch besteht aus 25 Kapiteln, die in VII Bücher unterteilt werden. Nach der Einführung im Buch I beschreibt Taleb im Buch II wie die Antifragilität bzw. ein Teil davon, die Hormesis,  mehr und mehr verleugnet wird. Indem wir versuchen, sowohl den sozialen als auch wirtschaftlichen Systemen Stressoren und Zufälligkeiten zu entziehen, schwächen wir sie. Was nicht passt, wird passend gemacht. Die Geschichte mit dem Bett des Prokrustes trifft auf dieses Phänomen perfekt zu.

Weiter geht es mit Fat Tony, Nero, der Hantelstrategie, dem Unterschied zwischen konkaven (fragilen) und konvexen (antifragilen) Kurvenverläufen, zwischen der Linearität und Nichtlinearität, immer unter dem Aspekt der Antifragilität.

Das Buch VI ist dem „Via Negativa“-Prinzip gewidmet. Es geht um Subtraktion statt Addition. Wir Menschen ticken meistens so, dass wir, wenn irgendetwas nicht so läuft wie wir uns das wünschen oder denken, nach Interventionen suchen, die in einem MEHR von etwas münden. Ich lese regelmäßig im Forum von Dr. Strunz mit. Bei vielen der Probleme, die dort -meistens auf hohem Niveau- diskutiert werden, denke ich mittlerweile, dass ein WENIGER statt MEHR sinnvoller wäre. Dabei meine ich konkret das Heilfasten, auch wenn ich selbstverständlich weiß, dass es kein Allhelimittel ist. Fasten ist ein klassisches Beispiel für das Via Negativa-Prinzip. Es gibt viele weitere Bereiche, in denen dieses Prinzip bedacht/ angewandt werden sollte;  auch beim Sport.

Was fand ich an diesem Buch besonders interessant?

Es sind die unzähligen Lebensweisheiten, mit denen das Buch gespickt ist. Taleb spricht mir an vielen Stellen direkt aus der Seele:

„Ein Großteil des modernen Lebens besteht in vermeidbarer Schädigung durch chronischen Stress.“

Ist eigentlich klar, oder? Fast jeder weiß es und trotzdem gelingt es nur den Wenigsten, sich dem permanenten Stress zu entziehen. Es ist das Hamsterrad oder die Matrix, wie ich es nenne. Wer für sich etwas mehr Antifragilität erreichen möchte, muss oft gegen das Mainstream Denken handeln, und dazu gehört Mut.

„Es gibt den Mediziner-Fragilisten, der zu viel therapiert, weil er die naturgegebenen Selbstheilungskräfte des Körpers nicht anerkennt und Ihnen Medikamente mit möglicherweise schweren Nebenwirkungen verschreibt;…“.

Das nennt sich Iatrogenik, und sie dürfte viel öfter vorkommen als wir glauben. Das Gegenteil davon ist das oben erwähnte Prinzip „Via Negativa“. Es geht darum, die eigenen Selbstheiliungskräfte durch Weglassen zu aktivieren und nicht durch zusätzliche Medikamenteneinnahme.

„Wenn ein Mensch Nahrung bekommt, bevor er Energie aufwendet, bringt das mit Sicherheit den biologischen Signalisierungsprozess durcheinander. Es gibt ausgedehnte Hinweise darauf, dass periodischer (und nur periodischer) Nahrungsentzug bei Organismen in Bezug auf viele Funktionen positive Auswirkungen hat. … Die Antifragilität des Menschen drückt sich darin aus, dass bestimmte Gene als Reaktion auf Hunger heraufreguliert werden.“

Also, erst jagen, dann (fr)essen und, wenn  keine Beute gemacht wurde, fasten 😉 .

Es ist ein Buch, das man nicht nur einmal lesen sollte. Ich werde es mir definitiv (mindestens) noch einmal durchlesen 💡 .

ANTIFRAGILITÄT: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen, Nassim Nicholas Taleb, 4. Auflage, Taschenbuchausgabe 2014, btb Verlag, München (686 Seiten), ISBN 978-3-442-74469-5, Preis: 12,99 €.

Dein Peter Buchmann

 

Foto: Buchmann privat, “15_Antifragilität“

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