Einfach nur sein…und ab und zu einen Fisch

Ich gehe fast täglich in der Mittagspause über eine Brücke über der Trave spazieren. Manchmal halte ich inne und betrachte das Wasser, die Bäume, die Natur. Vor ein paar Wochen stand mitten im Fluß ein Graureiher und wartete auf seine Beute. Plötzlich schlug er zu, der Fisch zappelte kurz und wurde dann ruck zuck verschlungen. Darauf hin setzte ich meinen Spaziergang fort. Letzten Montag, das Wetter war wieder einmal herrlich, wiederholte sich das gleiche Schauspiel. Diesmal blieb ich aber noch einen Augenblick länger da stehen und sah wie der Graureiher, kurz nachdem er die Beute gemacht hatte, davon geflogen ist. In diesem Augenblick hatte ich einen Aha-Moment, eine kleine Erleuchtung. Ich fragte mich was der Reiher jetzt wohl tun würde. Die einzig plausible Antwort war für mich:… Nichts, der ist einfach nur da. Wenn er wieder Hunger verspürt, angelt er sich wieder einen Fisch und ist ansonsten nur da -im Hier und Jetzt-.

Wir sind keine Vögel, ein Vergleich mit dem Graureiher hinkt etwas. Als soziale Wesen brauchen wir  soziale Kontakte. Der Graureiher ist meistens als Einzelgänger unterwegs. Wir stellen  mit Sicherheit höhere Ansprüche an unseren Lebensraum als ein Graureiher. Der ist da eher genügsam. Wäre es nicht trotzdem denkbar, dass unser ureigenster Sinn des Lebens darin besteht, -fit und gesund- einfach nur da zu sein?

Gelsellschaftliche Zwänge, Geld … und der Graureiher

Klar, wir unterliegen alle mehr oder weniger gesellschaftlichen Zwängen. Ohne genügend Geld (wie viel ist denn eigentlich genug?) läuft Vieles nicht. Die Grundbedürfnisse wollen und müssen auch befriedigt werden. Etwas mehr als das ist sicherlich ebenfalls legitim, mir geht es hier nicht um Askese. Das pure Sein und (mehr) Geld schließen sich gegenseitig nicht aus! Fast alles, was über die Grundbedürfnisse hinausgeht, sind, so zumindest meine Erkenntnis, künstlich geschaffene Bedürfnisse beziehungsweise eine künstlich erzeugte  Nachfrage, die durch ein entsprechend breites Angebot gern bedient wird. Je jünger man ist und je weniger man bisher diese künstlich erzeugten Bedürfnisse befriedigen konnte, umso empfänglicher ist man für sie. Für die junge Generation ist es nicht so einfach, den vielen gesellschaftlichen Trends zu widerstehen. Ein schnelles Auto, ein neues Smartphone, schicke Markenklamotten… Es kommt immer mehr dazu, was man -angeblich- HABEN „muss“. So rennt man dem Tag ein, Tag aus hinterher; das pure SEIN kommt dabei fast immer zu kurz.

Natürlich bin ich froh darüber, dass ich nicht am Hungertuch nagen muss und in einem freien, demokratischen Land lebe. Ich bin auch dankbar dafür, dass ich mir (mit meiner Familie) einen Urlaub leisten, mit dem Auto zum Einkaufen fahren und in meinen eigenen vier Wänden wohnen kann. Viel mehr braucht es aber auch nicht. Selbst diese Sachen, also das Haus, das Auto, der Urlaub etc. sind optional. Á propos Urlaub:

Ich schaue seit Jahren so gut wie kein Fernsehen mehr, lese keine Zeitungen und höre so gut wie keine Nachrichten. Ich bin dadurch so leichtsinnig, dass ich in Ländern Urlaub mache, die ja sooo gefährlich für uns sind (Achtung, Ironie). Dass ich in diesen Ländern fast ausnahmslos nur netten, aufgeschlossenen Mitmenschen begegnet bin, war bestimmt nur reines Glück, purer Zufall (Achtung, wieder Ironie). Geschadet hat mir die Abstinenz bezüglich des Medienkonsums jedenfalls nicht. Dieses (künstlich erzeugte) Bedürfnis habe ICH seit langem nicht mehr und fahre gut damit.

Jeder wird sich das pure SEIN anders vorstellen. Für mich bedeutet das nicht, nichts zu tun. Es gehört schon etwas mehr dazu, durchaus bzw. insbesondere auch sinnvolle Arbeit bzw. Beschäftigung. Konkret meine ich damit:

  • Etwas tun, was mich erfüllt, worin ich aufgehe (wer wünscht sich das nicht?). Wenn es hauptberuflich (noch?) nicht geht, dann zumindest „nebenberuflich“ 😉
  • Bewegung und Sport im Sinne von LaufenundFitness
  • Zeit mit meiner Familie (kommt leider immer wieder zu kurz), andere soziale Kontakte
  • Fasten wie auch gutes, gesundes Essen und Trinken
  • Meditation (ja, ich habe die Meditation fest in meine Morgen- und Abendroutine integriert 😛 ).

Braucht es wirklich so viel mehr im Leben? Oft geht es nur um die gesellschaftliche Anerkennung. Man will ja wer sein, von anderen Mitmenschen akzeptiert und geschätzt werden. Dazu gehört meistens zwangsläufig, über bestimmte Statussymbole -materieller Art- zu verfügen. Auch ich kann mich davon nicht gänzlich freisprechen. Trotzdem ist mir viel wichtiger wer ich bin, d.h. was bzw. welche Werte ich mit meiner Person darstelle, als das was ich habe;… einem Graureiher ist es trotzdem völlig egal. Er ist einfach nur da und angelt sich, wenn er Hunger hat, einen Fisch.

(zumindest) ein Wochenende lang nur SEIN

Andreas, ein Trainerkollege und Freund, und ich planten schon seit längerem ein gemeinsames Wochenende, an dem wir uns austauschen, etwas Sport machen, intermittierend fasten und über gemeinsame Projekte reden könnten. Am vergangenen Wochenende war es dann so weit und wir machten uns am Samstagmorgen auf den Weg in die schöne Hahnheide (bei Trittau). Wir haben einen langen Barfußspaziergang gemacht, uns auf dem Hahnheider Turm sportlich betätigt, waren anschließend im Lütjensee baden und aßen gegen 19.00 Uhr zu Abend –unsere erste und einzige Mahlzeit an diesem Tag. Am Sonntag drehten wir ein Interview*, machten wieder ein intensives Workout, aßen danach, gegen 13.00 Uhr, zu Mittag (ca. 17 Std. IF) und beendeten das kleine Abenteuer mit einem erneuten Barfußspaziergang gegen 16.00 Uhr.

Warum schreibe ich in diesem Kontext über dieses Wochenende? Weil wir da die meiste Zeit einfach nur da waren … und ab und zu „einen Fisch“ (Synonym für Lebensmittel ) aßen 😉 .

Dein Peter Buchmann

 

* Ich plane, auf meinem Youtube-Channel Videos / Interviews mit interessanten, thematisch zu LaufenundFitness passenden Menschen zu veröffentlichen. Diese Videos sollen auf der Homepage „Laufenundfitness.de“ verlinkt werden. Den Auftakt dazu soll das oben genannte Video mit Andreas geben.

 

Foto: Pixabay.com © „Graureiher“,  Bildnachweis nicht erforderlich

9 Gedanken zu „Einfach nur sein…und ab und zu einen Fisch“

  1. Einmal innezuhalten und diese absurde Realität, die wir im Alltag für selbstverständlich halten, objektiv zu hinterfragen, und unsere pure Existenz – das Wunder des Daseins – wahrzunehmen. Sich so vielen miteinander verzahnten, zu einem Gesamtbild zusammenfügen wollenden Fragen zu widmen, und doch währenddessen durchgehend zu wissen, dass sich niemals absolute Antworten finden lassen werden.

    Ist man diesen Weg einmal gegangen, gibt es kein zurück mehr – willkommen in der Philosophie! 😉

    Und doch verfällt man irgendwann wieder der Routine des Alltags, die vorhin noch gewonnene vermeintliche Klarheit schwindet, und an ihre Stelle tritt nun der routinierte, sich täglich wiederholende Autopilot. Morgens aus dem Bett, zur Schule / zur Arbeit, nach Hause, nebenbei soziale Kontakte pflegen, ins Bett, und von vorne.

    Bis man ab und zu dann wieder in einigen Momenten, ob beim Spaziergang über eine Brücke, oder, ob gewollt oder ungewollt, ob nur für einen Moment oder doch für einige Tage, in den (philosophischen) Fisch beißt 😉

    1. Ein schöner Kommentar, David 🙂 . Vielen Dank dafür.
      Ich glaube, man kommt dem Ziel, d.h. dem puren Sein, immer näher, je weniger Antworten man benötigt, weil man immer weniger Fragen hat.
      Den Routinen des Alltags kann man immer wieder kurz entfliehen, indem man sich eben andere Routinen angewöhnt; z.B. Meditieren 🙂 . Nur philosophieren sehe ich für mich nicht als das pure Sein an. Bestimmten Tätigkeiten, die ich in meinem Beitrag beispielhaft aufzähle, nachzugehen, kann / sollte auch erfüllend und Bestandteil des puren SEINS sein -allerdings nicht auf Autopilot-; so zumindest meine Sichtweise.

      Viele Grüße
      Peter

  2. Hallo Peter,

    das Wochenende, euer Wochenende. Ihr wart da, einfach nur da. Aber ihr wart da für EUCH. Ihr wart aktiv, hattet eine (Vor)planung, hattet wohl auch Vorfreude auf dieses Wochenende. Gedanken im Austausch, aufnehmen, geben. Zufriedenheit. Zur Ruhe kommen. Kein Ablauf der üblichen Routine. Das ist, gemessen am hektischen Alltag, auch eine Form des Daseins. Aber nicht in reduzierter Form. Bereits als Kind und Jugendlicher habe ich oft, abseits von Lärm und Stadt, ein nahegelegenes, weitläufiges, leicht hügeliges Naturschutzgebiet aufgesucht. Das liegt auf einem Hochplateau, man hat einen atemberaubenden Blick, hinein in das Rheintal, auf der anderen Seite das Siebengebirge. Hier oben darf die Natur noch für sich sein. Noch heute lege im mich dort ins hohe Gras, zwischen wilden Blumen, auf dem Rücken, alle Viere weit ausgestreckt, Blick in den blauen Himmel, Wolken gleiten lautlos, Vögel, Grillen, Hummeln…Augen zu und…du bekommst das Gefühl von einfach nur da sein. Man ist dann soweit weg vom täglichen Einerlei und das Karusselll des Denkens steht still. Ich schreibe das so ausführlich, um meine Definition, mein Gefühl von „einfach nur das sein“ zu schildern, ganz reduziert. Inzwischen mache ich das zusammen mit meiner Frau :-). Der Graureiher wird nach seiner Mahlzeit wohl irgendwo sein Nickerchen halten oder Ruhe gesucht haben, an einem stillen Ort, auf einem Bein ausruhend. Einfach nichts tun, nichts denken.

    Nach ca. 30 Jahren Wirtschaft und Büro mache ich nun etwas ganz anderes, im sozialen Bereich. Weniger Geld, mehr Erfüllung im Job, Zufriedenheit, Freude, Motivation. Ich wollte das so. Denn hier bekomme ich ganz viel von anderen Menschen zurück. Zudem habe ich mehr Zeit, die ich mit meiner Frau oder für mich wichtigen Menschen verbringen darf.

    Einn Smartphone besitze ich zwar, aber nur für „Notfälle“. Ich mache das bewusst so, das wird auch so bleiben. Das schafft Abhängingkeiten. Ich liebe den Wald und alle Natur und Natürlichkeit. So ist schon länger der Wunsch in mir, so autark wie nur möglich leben zu können. Selbstversorgung in Teilen, wenig Abhängigkeiten zulassen ohne dabei Spinner oder unrealistisch zu werden.

    Ich mag das Laufen in der Natur. Zeiten und vorgegebenen Trainingsplanungen „hechel“ ich immer weniger hinterher. Primär laufe ich, weil sich hier bei mir das Gefühl von Freiheit verstärkt. Oft improvisiere ich während des Laufens. Alles ohne engen Rahmen. Soweit das geht, versuche ich mich gesellschaftlichen Zwängen zu entziehen. So lasse ich mir durch vorgegebene gesellschaftliche Konventionen keine Vorschriften machen, welche Kleidung ich wann und wie zu tragen habe. Nur ein Beispiel. Das klingt jetzt so, als wäre ich ein Sonderling. Was ich damit zum Aufdruck bringen möchte…persönliche Freiheit und Selbstbestimmung hat für mich auch viel mit „einfach nur da sein“ zu tun. Das sein, was man ist, im Ursprung. Zu langer Text, sorry!

    Gruß
    Dieter

    1. Hallo Dieter,
      vielen Dank für deinen langen Kommentar. Ich finde solche Kommentare sehr bereichernd. Warum sollte man sich beschränken, wenn man etwas Sinnvolles mitzuteilen hat.
      Das Wochenende mit Andreas war sicherlich noch nicht die reinste Form des Daseins, es war aber schon nahe dran. Es war recht spartanisch, dabei aber auch aktiv und inspirierend.

      Dein Gefühl des „Einfachnurdaseins“ ist ganz gut rübergekommen. Mir geht’s ähnlich, wenn ich mit meinem Hund im Brenner Moor unterwegs bin. Natur pur. Am besten ist es, wenn das Wetter nicht ganz so gut ist, denn dann ist da weniger los.

      Wir scheinen, viele Gemeinsamkeiten zu haben. Auch ich benutze mein Smartphone recht selten, laufe gerne barfuß und versuche, mich, so gut es geht, den gesellschaftlichen Zwängen zu entziehen. Leider wirkt so Einiges, was mit Blick auf die Evolution etc. völlig natürlich ist, heutzutage nicht normal; nur, weil die gesellschaftlichen Normen sich so verschoben haben. Das finde ich schade, insbesondere wegen meiner Kinder. Beispiel: Ich liege gerade am Pool (Urlaub ). Wenn ich mich nachher etwas bewegen/ mobilisieren möchte (und werde), gehe ich an einen Platz, wo man mich nicht -so gut- sieht, und das nur, damit meine Kinder sich nicht schämen müssen, dass ihr Vater etwas macht, was sonst keiner macht. Die Normalität ist heutzutage leider nicht normal, aber erklär das einem Teenager.

      Ja, vielleicht kreuzen sich unsere Wege irgendwann. Ich würde mich freuen.

      Bis dahin noch viel Freude beim einfach nur Dasein.

      Viele Grüße
      Peter

  3. Hallo Peter,

    nur ganz kurz ich (Dieter) noch einmal. Leider habe ich beim Abschicken meiner Zeilen das Ausfüllen des Feldes, ganz unten, übersehen. Das sollte ich eigentlich kennen, habe doch schon den ein oder anderen Kommentar hier reingeschrieben. Deshalb stehe ich am Anfang des Textes wohl als „Anonymous“. Der kurze Text zuvor ist aber nicht von mir (da steht auch „Anonymous und ist wohl von Darius :-)).

    Dir noch einen schönen Urlaub. Vielleicht mit einer 10-Minuten-Hocke direkt am Pool. Ob Deine Kinder das auch schaffen? Wenn jemand Argumente für Deine Kinder hat das zu tun, dann doch Du. In der Gruppe hat man zumindest das Gefühl, nicht so aufzufallen :-).

    Gruß
    Dieter

    1. Hallo Dieter, danke für die Aufklärung. Ich dachte in der Tat, dass du beide Kommentare als Anonymus abgeschickt hast. Daher auch mein Einschub, dass ich mich auch freuen würde, wenn wir uns mal sehen würden. Das macht aber nichts, ich lasse das gerne so stehen .

      Teenager fühlen sich in der Gruppe sicher(er), ja. Die Frage ist nur, in welcher Gruppe? Mit Gleichaltrigen sicherlich, aber doch nicht mit dem peinlichen Papa . Hocken werde ich dann wohl weiterhin allein abseits des Pools; Übrigens meine beiden Kinder können problemlos tief hocken. Das haben sie von der Mutter, sie ist sehr beweglich .

      Viele Grüße
      Peter

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