Alternative Marathonvorbereitung mit „minimal effektiver Dosis“ – der Selbsttest

Mit „minimal effektiver Dosis“ bezeichnet Timothy Ferriss in seinem Buch „Der 4-Stunden Körper“ diverse Interventionen, die mit minimalem Aufwand zu einem vorher festgelegten, gewünschten Ergebnis führen. Ich finde diesen Begriff sehr aussagekräftig und habe ihn mir, da mir nichts Besseres einfiel, für meine 12 wöchige „alternative Marathonvorbereitung“ auf den Frankfurt-Marathon 2015 „ausgeliehen“.

Minimale Dosis

…heißt hier drei mal pro Woche Laufen und drei mal pro Woche Krafttraining. Die Laufumfänge betrugen im Schnitt ca. 36 km pro Woche, also noch nicht einmal die Strecke eines Marathonlaufs. Die wöchentliche Kerneinheit bestand dabei aus 21 km langen Läufen mit unterschiedlich langen Intervallen im GA2-Bereich (aerob-anaerobe-Schwelle). Einmal wöchentlich standen noch ein HIIT-Lauf und Intervalle zwischen 200 m und 1.000 m auf der Bahn auf dem Programm.

Das funktionelle Krafttraining beinhaltete CrossFit®-Workouts, Zirkeltrainings mit größtenteils Body-Weight -Exercises und Maximalkrafttraining mit dem eigenen Körpergewicht und Kettlebells. Die Trainingsdauer betrug jeweils zwischen 10 und 20 Minuten (ohne Warm-up und Cooldown). Ein beispielhaftes CrossFit®-Workout bestand aus 5 Runden á

auf Zeit, ohne Pausen.

Bis auf die intensiven Lauf-Intervalle und das Maximalkrafttraining absolvierte ich alle Trainingseinheiten morgens nüchtern.

Effektive Dosis

…hieße, dass ich bei diesjährigem Frankfurt-Marathon die von mir gesteckten Ziele erreiche:

  1. Zielzeit unter 3:10 Std.,
  2. kein spürbarer Einbruch auf den letzten Kilometern
  3. keine Verletzungen, weder beim Lauf selbst noch danach

vorausgesetzt, ich bleibe während der gesamten 12 Wochen gesund und das (Lauf-)Wetter am Wettkampftag ist sehr gut.

Das Wetter war in Frankfurt am 25.10.2015 für uns Läufer optimal, ca. 11 bis 14 Grad C, bewölkt, trocken und nahezu windstill. Besser geht nicht.

Meine Vorbereitung konnte ich ohne Ausfälle durchziehen. Ich zog mir lediglich 2,5 Wochen vor dem Marathon eine Reizung an der linken Ferse zu (ich glaube, dass ich bei der Massage mit dem Golfball übertrieben und das Fersenbein zu stark gereizt habe), die mich zwar beim normalen gehen nicht aber beim Laufen behindert. Meine Generallprobe, den Halbmarathon 2 Wochen vor dem Marathon, konnte ich in guten 1:28 finishen und hatte ein gutes Gefühl.

War ich am Start gesund? Ich weiß es nicht genau. Es ist an sich nicht schwer zu beurteilen, ob man gesund oder krank ist. Seit dem Marathon weiß ich aber, dass es auch einen Zustand dazwischen gibt. Ich glaube, ich hatte leichte Anzeichen einer Erkältung, glaube aber, dass ich diese, hätte mir der Marathonlauf nicht direkt bevorgestanden, nicht wirklich wahrgenommen hätte. Kurz vor der „Zielgeraden“, nachdem man eine 12 wöchige, gute Vorbereitung absolviert hat, ist die Anspannung relativ groß und man spürt auf einmal Symptome, die entweder nur vage da sind oder die man sich womöglich sogar nur einbildet. Warum glaub ich nun, dass ich tatsächlich gesundheitlich leicht angeschlagen und es keine Einbildung war? Zum einen, weil meine Familie die letzten 1,5 Wochen vor dem Marathon kränkelte und zum anderen, weil ich gestern und heute, also direkt nach dem Lauf, doch spürbar erkältet bin (u.a. stark belegte Stimme, Schnupfen); das habe ich normalerweise nach einem Marathon nicht.

Warum entschied ich mich trotzdem zu laufen? Nun ja, ich messe regelmäßig meinen Ruhepuls. Dieser war bis 2 Tage vor dem Rennen normal. 1 Tag vorher war er zwar um 4 Schläge höher, dies kann aber durchaus auf die Nervosität vor dem Marathon zurückzuführen sein. Des Weiteren hatte ich kein Fieber und fühlte mich nicht schlapp.

Das Ergebnis

…vorweg: Den Test habe ich nicht bestanden. Ich lasse das Wort „leider“ bewusst weg, denn ich bin für diese Erfahrung sehr dankbar und glücklich, dass ich in 3:18:11 in relativ guter Verfassung gefinisht habe und so meinen Test beenden konnte.

Der Rennverlauf:

Bis Kilometer 25 lag ich noch auf Kurs mit einer durchschnittlichen Pace von 4:29,4 pro km. Ab km 20 / 21 spürte ich aber, dass es schwierig werden würde. Nun, alle erfahrenen Marathonläufer werden jetzt schmunzeln und einwenden, es sei keine Kunst, bis Kilometer 25, ja sogar 30 oder 35 die ursprünglich angestrebte Pace zu halten. Wie jeder weiß, entscheiden über den Erfolg oder Mißerfolg beim Marathon erst die letzten 5-7 km. Und da haben sie vollkommen recht.

Es ist schon eine Kunst, die zweite Hälfte des Marathons genauso schnell (oder sogar noch schneller) als die erste zu laufen. Dennoch kann eine etwas langsamere zweite Hälfte zu einem insgesamt erfolgreichen Rennen führen. Diesmal war es aber nicht der Fall. Meine durchschnittliche Pace fiel alle 5 km um einige Sekunden von 4:32 Min. zwischen den Kilometern 20-25, über 4:49 Min. zwischen 25-30, 4:54 Min. zwischen 30-35 bis 5:16 Min. zwischen 35-40. Die letzten 2,2 km konnte ich mit 5:02 Min. noch einmal „richtig Gas geben“ 😳 . Am Ende waren es im Schnitt 4:42 Min. pro Kilometer und damit ca. 12 sec. langsamer als geplant.

Die Zielzeit von 3:18 Std. kann mich in Anbetracht des guten Wetters und der flachen, schnellen Strecke natürlich nicht zufriedenstellen. Was mich aber noch mehr zu dem Ergebnis kommen lässt, dass diese „minimal effektive Dosis“ (bei mir) nicht funktioniert, sind die letzten 17 Kilometer des Rennens. Ich habe mich schon ziemlich gequält und war im Ziel nur noch glücklich darüber, dass ich gesund angekommen war. Ich weiß, dass man sich nach dem Zieleinlauf vieeel besser fühlen kann ;-). Dennoch muss ich konstatieren, dass ich einen echten Einbruch nicht erlitt. Das weiß ich deshalb, weil ich es schon einmal erleben „durfte“ und weiß wie es sich anfühlt 😥 .

Woran hat es gelegen?

Um die Strecke souverän durchzulaufen, fehlte mir letztendlich die Laufkraft, also die spezifische Kraftausdauer; zumindest auf dem ursprünglich gewählten Niveau. Die Energiebereitstellung, insbesondere der Fettstoffwechsel, funktionierten hingegen gut.

Hier zahlt sich meine Ernährung aus. Auch wenn es diesmal nicht unbedingt low-carb war, habe ich leere Kohlenhydrate weitestgehend gemieden. Weizenprodukte befanden sich sehr selten auf meinem Teller. Im Gegensatz zu früher habe ich diesmal öfter Kartoffeln, ab und zu Reis und etwas mehr Obst gegessen. Ansonsten praktizierte ich meistens das intermittierende Fasten, denn diese Mahlzeitenfrequenz hat sich bei mir einfach bewährt.

Wie fühle ich mich zwei Tage nach dem Rennen?

Ich schreibe diesen Beitrag bewusst erst 2 Tage nach dem Rennen, weil sich bei mir die Auswirkungen eines Wettkampfs erst zwei Tage danach in voller Blüte manifestieren. Gestern hatte ich nur einen wirklich leichten Muskelkater in den vorderen Oberschenkeln (Quadrizepsen), ansonsten, bis auf die linke Ferse, die mir nicht mehr weh tat als vor dem Lauf, keinerlei Schmerzen. Und heute sind die Schmerzen nicht stärker geworden, wie erwartet, sondern sogar weniger. Sowohl der Muskelkater in den Quadrizepsen als auch die Schmerzen in der Ferse haben deutlich nachgelassen.

Welche Erkenntnisse ziehe nun daraus / das Fazit:

  • 3 x Laufen pro Woche mit durchschnittlich nur 36 km, flankiert durch 3 intensive Krafttrainingseinheiten pro Woche, scheint für einen einigermaßen ambitionierten Marathon zu wenig zu sein
  • es reicht aber, um einen Marathon verletzungsfrei durchzulaufen, ohne komplett einzubrechen
  • sowohl muskulär als auch in Bezug auf die passiven Strukturen scheint diese minimale Dosis nicht nachteilig zu sein; zumindest bei einer relativ soliden Ausgangsbasis
  • würde ich es noch einmal ausprobieren oder anderen empfehlen? Nein, auch wenn ich beim Start ganz gesund gewesen wäre, hätte ich die angepeilten 3:10 Std. nicht geschafft.

Mit diesem Ergebnis stelle ich in keiner Weise die alternative Marathonvorbereitung in Frage. Dies habe ich bereits zweimal erfolgreich praktiziert und weiß, dass es mit etwas mehr Aufwand klappt; zumindest bei mir. Selbst diesen Test betrachte ich nicht als komplett „durchgefallen“, auch wenn ich die gesteckten Ziele damit nicht erreichen konnte.

Ob die alternative Marathonvorbereitung auch bei anderen Läufern funktioniert, möchte ich übrigens nächstes Jahr mit einigen Athleten testen. Ich bin schon auf die Ergebnisse gespannt 😀 .

 

P.S. „Heute vor genau 1 Jahr veröffentlichte ich meinen zweiten Beitrag „Marathonvorbereitung -Teil 2„. Am 25.10.2014 erschien mein erster Beitrag „Marathonvorbereitung Teil 1„. Beim Frankfurt-Marathon habe ich also quasi mein 1 jähriges Blog-Jubiläum gefeiert 😀 .

Ich bedanke mich herzlich bei dir, dass du mir deine wertvolle Zeit schenkst. Ich habe noch viele Themen rund ums Laufen und Fitness im Kopf, über die ich hier schreiben möchte. Ich bin mir sicher, dass ich dir weiterhin wertvolle Tipps liefern kann und freue mich, wenn du weiterhin regelmäßig auf meinem Blog vorbeischaust“.

Dein Peter Buchmann

 

Titelbild: Pixelio.de, © hamburg-fotos-bilder.de, “Marathon”

6 Gedanken zu „Alternative Marathonvorbereitung mit „minimal effektiver Dosis“ – der Selbsttest“

  1. Hi Peter,
    ein sehr interessanter Beitrag.
    Ich habe zwar das Buch von Ferriss nicht gelesen, hatte aber vor einen ähnlichen Selbstversuch zu starten, mit extrem minimalistischen Trainingsumfängen. Daher hat mir Deine Erfahrung sehr geholfen. Wie groß würdest Du den durchschnittlichen zeitlichen Aufwand in Deinen 12 Wochen (nur auf das Lauftraining bezogen) einschätzen. Weniger als 3 Stunden? Mehr?
    Gruß Micha

    1. Hallo Micha,
      es freut mich, dass Du von meinen Erfahrungen -evtl.- profitieren kannst. Das Laufen beschränkte sich, wie schon beschrieben, auf 3 Laufeinheiten p.W. Die kürzeste dauerte jeweils ca. 40 Min. (alle 4 Wochen ca. 30 Min.) und die längste jeweils ca. 1 h 40 Min. Die dritte im Stadion jeweils ca. 20 – 30 Min. netto (das „Stadion-Training“ dauert aber insg. immer länger, ca. 1,5 Std.). Damit kam ich auf < 3 Std. p.W., das Wurm-up (jeweils ca. 10 Min. vor jeder Trainingseinheit, im Stadion mit der Trainingsgruppe etwas länger) und das Cooldown nicht mit eingerechnet; aber das handhabt sowieso jeder individuell. Ich drücke Dir die Daumen und würde mich über Dein Feedback freuen. Viele Grüße Peter

      1. Hi Peter,
        danke für die ausführliche Antwort.
        Ich hatte letzten Monat die bekloppte Idee einen Marathon finishen zu wollen, mit nur einer Stunde Training pro Woche (im Schnitt). Daher war ich sehr interessiert an Deinen Trainingsinhalten.
        Gruß Micha

  2. Hallo Peter,

    ich selbst bin auch ein großer Fan von Tim Ferriss. Ich habe vor, einen Großteil seiner „Experimente selbst auch zu testen. Momentan bin ich bei dem 28 Tage Muskelaufbau Programm. Die zweite Woche neigt sich langsam dem Ende entgegen und bis jetzt bin ich sehr zufrieden.

    Da in 27 Tagen der 31. Münchner Marathon ist, habe ich mir überlegt bei der kleineren Version mit zu machen (Halbmarathon oder 10k) aber mit Tim´s Vorbereitungsplan in abgespeckter Form. Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse. Früher war ich Leistungssportler im Kampfsportbereich. Dies musste ich aber verletzungsbedingt für einige Monate pausieren.

    Dein Artikel hat mir schonmal viel geholfen. Wenn das Programm für dich bei einem kompletten Marathon nicht funktioniert hat, klappt es vlt bei den kleineren Varianten besser. Ich bin gespannt!

    Gruß,

    Timmy

    1. Hallo Timmy,
      vielen Dank für dein Kommentar. Das Programm funktioniert auch für den ganzen Marathon, darüber habe ich in zwei Beiträgen Ende April d.J. berichtet :-). bei der „Minimal effektiven Dosis“ könnte es ggf, auch klappen, nur war ich an dem Tag definitiv nicht 100%-ig fit; auch wenn ich es nur ungern als Grund anführe. Außerdem war meine Zeit mit 3:18 h m.E. nicht so schlecht.
      Ich bin mir sicher, dass es für den HM- oder 10km-Wettkampf sehr gut funktioniert, wünsche dir ein gutes Gelingen und würde mich über einen kurzen Erfahrungsbericht nach dem Wettkampf freuen.

      Viele Grüße
      Peter

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